Die europäischen Wälder leiden unter der Landwirtschaft.

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Wien – Obwohl im Durchschnitt der globale Artenverlust einem Massenaussterben gleichkommt, sinkt in kleinen Gebieten die Artenvielfalt kurioserweise oft gar nicht. Dort werden allerdings genügsame, lokale Arten von globalen Gewinnern verdrängt, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung. Schuld daran ist ein Überangebot von Stickstoff, berichten die Wissenschafter im Fachjournal "Nature Ecology and Evolution".

Veränderungen in der Krautschicht

Ein Team um Ingmar Staude von der Universität Halle-Wittenberg (Deutschland) untersuchte an 68 Standorten der gemäßigten Wälder Europas, wie sich die Artenzusammensetzung in der "Krautschicht" in den vergangenen Jahrzehnten änderte. Dort wachsen Gräser, Farne, Stauden, Jungbäume und Blütenpflanzen, und sie ist die Hauptnahrungsquelle für das Wild. An der Studie war auch Thomas Dirnböck vom Umweltbundesamt in Wien beteiligt, der unter anderem Daten vom "Langzeit-Ökosystemmonitoring Standort Zöbelboden" im Nationalpark Kalkalpen (OÖ) beisteuerte.

Im Untersuchungszeitraum änderte sich dort die Artenzahl netto nicht, so die Forscher. Doch es verschwanden viele kleinräumig vorkommende, ansässige Arten, die Stickstoff sehr effizient verwerten und demnach nicht viel davon brauchen. Statt ihnen wurden die Gebiete von viel Stickstoff-konsumierenden Pflanzen kolonialisiert, die ein sehr großräumiges Verbreitungsgebiet haben und demnach Allerweltpflanzen sind.

Häufig Neophyten

Oft handelte es sich dabei auch um eingeschleppte Arten. Grund dafür ist die von Menschen verursachte Anreicherung von Stickstoff in der Natur, so die Forscher. Laut Europäischer Umweltagentur (EEA) stammt der übermäßige Stickstoff vor allem aus der Landwirtschaft.

Obwohl also lokal die Anzahl der Arten in einzelnen Beobachtungsgebieten gleich bleibt, nimmt sie europaweit dramatisch ab, weil überall die gleichen Stickstoff-verschwendenden Pflanzen wachsen und lokale Spezialisten, die sehr sparsam damit umgehen können, verschwinden. (red, APA, 14.4.2020)