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Anfang April zeigte sich Lukaschenko auf dem Eis, um Normalität zu demonstrieren.

Foto: Pokumeiko / BelTA Pool Photo via AP

Der "letzte Diktator Europas" als Vorkämpfer für die Freiheit! Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko hält trotz der Verbreitung von Covid-19 nichts von Quarantäne, Grenz- und Geschäftsschließungen. Selbst Maßnahmen zum Abstandhalten sind in Minsk nicht angesetzt. Auf einer Regierungssitzung vor wenigen Tagen geriet der Staatschef diesbezüglich richtig in Fahrt. Einige schlügen solche Zwangsmaßnahmen im Kampf gegen das Virus vor. "Das ist die leichteste Übung, das kriegen wir innerhalb eines Tages hin. Aber was werden wir dann fressen?", ereiferte sich der 65-Jährige.

Der Langzeitpräsident hat seine ganz eigene Sicht auf die Pandemie. Verglich er das Sars-Virus zunächst mit einer gewöhnlichen Grippe, so verbreitete er zuletzt Verschwörungstheorien und deutete an, dass das Virus von Menschenhand gezüchtet worden sei, um Wettbewerbsvorteile zu erringen. Politiker in der ganzen Welt hätten die Lage für ihre Zwecke genutzt, so Lukaschenko, der die Ausgangssperre in Frankreich als Mittel zur Beendigung der Gelbwesten-Proteste sieht.

Offene Geschäfte

Doch Weißrussland könne sich auf dieses Spiel nicht einlassen. Zu groß seien die wirtschaftlichen Verluste der "Corona-Psychose", klagte Lukaschenko. Einen Shutdown der Wirtschaft werde das Land nicht überleben, so sein pragmatisches Fazit.

Und so geht in Weißrussland das Leben seinen ganz gewöhnlichen Gang. Die Geschäfte haben geöffnet, die Schulen sind in Betrieb. Lukaschenko stellt es den Eltern frei, zu entscheiden, ob ihr Kind zur Schule gehen soll oder nicht. Er selbst empfiehlt den Schulbesuch, schließlich sei noch kein Kind an der Krankheit gestorben. Selbst die Fußball-Liga spielt – und profitiert dabei vom plötzlichen Interesse ausländischer Sportsender, die die Spiele in Länder übertragen, wo der Ball pausiert.

Statistisch unter Kontrolle

Laut den Behörden ist die Situation dabei unter Kontrolle. Erste Fälle gab es Mitte März. Inzwischen sind es laut offizieller Statistik 2919 Infizierte. Ein Zuwachs von 341 Personen am Montag, während die Zahl der Todesopfer um drei auf 29 stieg. Wie aussagekräftig Statistiken in einem Land sind, dessen Präsident 2015 bei einer Wahlbeteiligung von angeblich fast 90 Prozent mehr als 80 Prozent der Stimmberechtigten in seine fünfte Amtszeit wählten und der anschließend davon sprach, die Ergebnisse zugunsten seiner Gegner gefälscht zu haben, sei dahingestellt.

Klar ist: Die Zahl der Tests pro Kopf liegt deutlich unter dem Wert Österreichs. Tests vom Nachbarn Russland zu kaufen, dessen Abschottungspolitik er in der Krise scharf kritisiert, lehnt Lukaschenko ab. Stattdessen hat er EU-Hilfen erbeten.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt unterdessen, dass Minsk zu wenig tue, um die Ausbreitung der Epidemie einzudämmen. Es sei nötig, Massenveranstaltungen abzusagen, die Menschen zur Distanz anzuhalten und verstärkt auf das Virus zu testen, um einen steilen Anstieg der Kranken- und Opferzahlen zu vermeiden. Doch Lukaschenko bleibt bei seiner These. Am Coronavirus selbst sei noch niemand gestorben, versicherte er am Montag. Die bisherigen Opfer seien selbst schuld an ihrem Tod, sie hätten sich der Psychose ergeben und aufgehört zu kämpfen, so Lukaschenkos Erklärung. (André Ballin, 13.4.2020)