Im Gastkommentar widmet sich Hans-Peter Siebenhaar, "Handelsblatt"-Korrespondent und Präsident des Verbands der Auslandspresse in Wien, dem Umgang mit internationalen Medien in Österreich in der Krise. Dieser zeige die Unsicherheit der Verantwortlichen.

Tirol ist in den Augen vieler Betroffener in Mittel- und Nordeuropa vom perfekt organisierten Freizeitpark zur europaweiten Coronavirus-Schleuder mutiert. Der fahrlässige, offenbar auch verantwortungslose Umgang beim Ausbruch der Pandemie im alpinen Ballermann Ischgl und anderswo in Tirol hat nicht nur der Tourismusdestination geschadet, sondern auch den Ruf Österreichs als Ferienland international schwer beschädigt. Von Deutschland bis Island entstand der Eindruck von Überforderung, Geldgier und Schlamperei.

Keine Möglichkeit für kritisches Nachfragen: Pressekonferenz mit den Ministern Karl Nehammer und Rudolf Anschober Ende März.
Foto: APA/Herbert Neubauer

Britta Hilpert, Leiterin des ZDF-Studios für Südosteuropa in Wien, wollte den Fehlentwicklungen in Tirol auf den Grund gehen. Die Korrespondentin lernte aber schnell die Grenzen der Medienfreiheit in Zeiten der Quarantäne kennen. Von einer elektronischen Pressekonferenz der Tiroler Landesregierung wurde sie ausgeschlossen. Nur die überschaubare Zahl von Tiroler Medien durfte daran teilnehmen. Als österreichische Kollegen dann für das ZDF stellvertretend fragen wollten, wurden sie mit dem Hinweis auf nur eine Frage pro Medium in die Schranken verwiesen. Weder die Tiroler Landesregierung noch Bundesministerien oder das Bundeskanzleramt gaben Antworten, die in der Recherche weitergeholfen hätten. Dabei wäre eine Kommunikation mit dem meistgesehenen Sender in Deutschland durchaus notwendig gewesen. Denn das Schönreden, Vertuschen und Verschweigen der vergangenen Wochen haben der Glaubwürdigkeit der Verantwortlichen in Tirol sehr geschadet.

Der Fall des ZDF in Tirol zeigt – auch wenn das Bundesland angesichts des Protests später zurückgerudert ist: Die Corona-Krise ist auch eine Krise der Medienfreiheit. Nicht nur die mit dem gefährlichen Virus Infizierten befinden sich auf Weisung des Staates in Quarantäne, sondern auch die Medien. Ihre Möglichkeiten zu kritischen Recherchen werden im Zeitalter der Pandemie eingeschränkt. Die Mächtigen halten die Medien zunehmend auf Distanz.

Allerorts Eigenlob

Seit Beginn der Corona-Krise schließt die Bundesregierung die internationalen Medien von ihren Pressekonferenzen physisch aus. Anfangs durften nur der ORF und die Nachrichtenagentur APA bei den Pressekonferenzen im Kanzleramt dabei sein. Später wurden zumindest die österreichischen Kollegen, ein Redakteur pro Medium, zugelassen. Den internationalen Korrespondenten bleibt nichts anderes übrig, als ihre Fragen an einen Kollegen der APA zu senden, der sie anschließend stellt. Für kritisches Nachfragen und Nachhaken gibt es in diesen virtuellen Pressekonferenzen dadurch keine Möglichkeit. Dabei ist klar: Statt künstlicher Flaschenhälse in der Kommunikation der Regierung sind Pressekonferenzen notwendig, bei denen alle Teilnehmer gleichberechtigt sind. Nur bei einem fairen Umgang können die Medien ihre Aufgabe als vierte Gewalt wahrnehmen.

Der Umgang mit ausländischen Medien zeigt die Unsicherheit der politisch Verantwortlichen in der schwersten Krise seit Jahrzehnten. Die subtile Einschränkung von Zugängen demonstriert das offenbar wachsende Misstrauen gegenüber unabhängigen Medien. Statt Selbstkritik und einer Entschuldigung im Umgang mit infizierten Touristen aus aller Welt in Tirol oder mit dem misslungenen Start der Maskenpflicht wird gebetsmühlenartig Eigenlob auf allen staatlichen Ebenen zelebriert.

Medien in schwacher Position

Die Medien sind in der Corona-Krise in einer wirtschaftlich schwachen Position. Obwohl ihr Journalismus wie selten zuvor gefragt ist, können sie die Rekordreichweiten ihrer Medienangebote nicht entsprechend über die Werbeeinnahmen monetarisieren. Fernseh- und Radiosender, Zeitungen und Internetangebote stehen angesichts rückläufiger Erlöse deshalb wirtschaftlich unter großem Druck. Genau deshalb sind die Medien und ihre Freiheit mitten in der Pandemie so verwundbar.

Die Corona-Krise avanciert somit zu einer Bewährungsprobe für die Demokratie. Statt kritischer Transparenz droht der Rückfall in staatlichen Autoritarismus. Ein besonders extremes Beispiel ist Ungarn. Dort hat Ministerpräsident Viktor Orbán ein Notstandsgesetz durchgepeitscht, das die Medienfreiheit quasi endgültig aushebelt. Denn in dem EU-Land können beispielsweise Journalisten für fünf Jahre ins Gefängnis gesteckt werden, wenn sie aus der Sicht der rechtsnationalen Regierung falsche Informationen in Zusammenhang mit der Pandemie weiterverbreiten.

Es ist unverständlich und schädlich, dass die österreichische Regierung nicht den Mut aufgebracht hat, dagegen öffentlich zu protestieren. Unter guten Nachbarn muss das Aussprechen von Wahrheiten möglich sein. 16 andere EU-Länder – von Schweden über Deutschland bis Spanien – besitzen hingegen mehr Courage. Sie bringen ihre Kritik an den demokratiefeindlichen Entwicklungen in Ungarn sehr klar zum Ausdruck – ohne das EU-Land direkt zu nennen. Sie verteidigen damit auch die bedrohte Medienfreiheit in Orbáns "illiberaler Demokratie". (Hans-Peter Siebenhaar, 13.4.2020)