So nahe nebeneinander wie auf diesem Bild aus dem Vorjahr dürfen Aktionäre aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr sitzen.

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Die Abhaltung der Hauptversammlung ist für viele Gesellschaften Pflicht. Die Corona-Schutzmaßnahmen machen es aber unmöglich, diese Veranstaltung wie gewohnt ablaufen zu lassen. Trifft dabei doch typischerweise eine größere Zahl an Menschen aufeinander, die stundenlang im selben Raum sitzen. Gesellschaften brauchen aber Beschlüsse ihrer Aktionäre. Daher dürfen Hauptversammlungen jetzt virtuell abgehalten werden. Die diesbezügliche Verordnung des Justizministeriums liegt vor.

Um eine Hauptversammlung virtuell abzuhalten, braucht es eine akustische und optische Zweiwegverbindung in Echtzeit. Zumindest aber eine akustische Verbindung. Jeder Teilnehmer braucht – wie sonst auch – die Möglichkeit, sich zu Wort melden zu können und an Abstimmungen teilzunehmen.

Börsennotierte Unternehmen – oder jene, die mehr als 50 Aktionäre haben – können auch Stimmrechtsvertreter festlegen. Durch diese können Beschlussanträge, Stimmabgaben oder die Erhebung eines Widerspruchs eingebracht werden. Diese Stimmrechtsvertreter sind vom jeweiligen Unternehmen festzulegen. Es müssen zumindest vier Personen sein, die unabhängig vom Unternehmen sind. Zumindest zwei Personen müssen Rechtsanwälte oder Notare sein. Zu diesen Personen muss es für alle Aktionäre einen Kommunikationskanal geben. Das kann auch via Telefon sein. Diese Vertreter stimmen für die Aktionäre ab, eine entsprechende Vollmacht muss – wie jetzt auch – erteilt werden. Auch Widerspruch wird durch diese Vertreter zu Protokoll gegeben. Das soll sicherstellen, dass auch Kleinanleger an den Abstimmungen teilhaben können, selbst wenn sie sich mit der Technologie einer virtuellen Versammlung nicht auseinandersetzen können oder wollen.

Keine Benachteiligung

Eine Benachteiligung von Kleinanlegern sieht Mario Gall, Partner und Anwalt bei EY Law, dadurch nicht. Elektronische Tools für die Einbringung von Fragen, die in der Hauptversammlung abgearbeitet werden, gebe es jetzt auch schon. Ebenso die Möglichkeit, Stimmrechtsvertreter einzusetzen. Dass Hauptversammlungen im Internet übertragen werden, sei ebenfalls nicht neu und international eine bereits oft gelebte Praxis. Vor allem für börsennotierte Unternehmen ist die Abhaltung einer Hauptversammlung wichtig. Viele Unternehmen haben ihre Jahrestreffen bereits auf den Herbst verschoben. Ob diese dann wie gewohnt in großen Sälen oder doch virtuell stattfinden werden, ist noch offen.

Ein Bild aus anderen Zeiten – so eng dürfen Aktionäre nicht mehr beisammen sitzen.
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"Die typischen Tagesordnungspunkte einer Hauptversammlung sind die Vorlage des Jahresabschlusses, der Gewinnverteilungsvorschlag, die Entlastung der Organe, der Beschluss über einen Rückkauf von eigenen Aktien, die Erteilung eines genehmigten Kapitals, die Vergütungspolitik und die Wahl des Abschlussprüfers", sagt Gall. Für all diese Themen braucht es die Mehrheit vom präsenten Grundkapital. Müssen tiefgründigere Punkte entschieden werden – etwa Abspaltungen –, braucht es 75 Prozent Zustimmung der präsenten Kapitalvertreter.

Stimmabgabe muss gewährleistet sein

"Die jetzt virtuell abgehaltenen Hauptversammlungen werden die Digitalisierung beschleunigen", sagt Gall. Viele Tools, auf die jetzt zurückgegriffen werde, gab es auch vorher schon. Sie wurden vielfach aber nicht genutzt. Solange sich Aktionäre äußern können und ihre Stimmabgabe gewährleistet ist, sieht der Rechtsexperte auch keine Benachteiligungen und spricht von einer "Modernisierung der Veranstaltung".

Wie die Hauptversammlung virtuell abläuft, wird die Praxis bald zeigen. Schoeller Bleckman Oilfield sind die Ersten, die die Hauptversammlung am 23. April virtuell abhalten wollen. Mayr-Melnhof folgt am 29. April.

Vor allem für kleinere Treffen ist die Verlagerung der Hauptversammlung ins Netz ein Weg, "um Erfahrungen zu sammeln", sagt Aktionärsvertreter Wilhelm Rasinger, der selbst schon oft als Stimmrechtsvertreter aktiv war. Er sieht es positiv, dass der Gesetzgeber auf die neuen Vorgaben durch Corona reagiert hat. Es sei ein Vorteil, wenn Unternehmen ihre Beschlüsse nicht auf das dritte oder vierte Quartal verschieben müssen, sondern Entscheidungen treffen können, um sich auf das herausfordernde Jahr 2020 zu konzentrieren. Für Unternehmen, deren Hauptversammlung bisher von mehreren Hundert Menschen besucht wurde, sieht Rasinger aber einen enormen administrativen Aufwand. (Bettina Pfluger, 14.4.2020)