Karoline Edtstadler (ÖVP) war schon Richterin, Kabinettsmitarbeiterin, Staatssekretärin, EU-Spitzenkandidatin der ÖVP und Kanzleramtsministerin. Auf dem Papier war sie auch Stellvertreterin der Leiterin der WKStA.

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Wer die Karriereleiter im Justizministerium erklimmt, steigt formell auch im normalen Justizbetrieb auf: Um eine höhere Entlohnung und andere Vorzüge zu erhalten, werden Kabinettsmitarbeitern und anderen im Ministerium Beschäftigten sogenannte "Mascherlposten" zugewiesen. Sie werden etwa zum Vizeleiter einer Oberstaatsanwaltschaft ernannt und dann sofort wieder ins Ministerium abgezogen, füllen diese Stelle also quasi fiktiv aus. Diese Praxis sorgte vor allem im Zuge der Debatte über angebliche Mängel im Justizbetrieb für Aufsehen, die zu Jahresbeginn von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angestoßen worden war.

Einen dieser Mascherlposten hatte auch eine enge Vertraute von Kanzler Kurz, nämlich Karoline Edtstadler (ÖVP). Sie war 2011 nach dreijähriger Tätigkeit als Richterin ins Justizministerium gewechselt, dann holte sie der damalige Minister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) in sein Kabinett. Im Jänner 2015 wurde Edtstadler dann zur Stellvertreterin der Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Für diese Stelle wurde laut Ausschreibung "grundsätzlich eine bereits zumindest fünfjährige Tätigkeit als Richterin oder Staatsanwältin erwartet". Die Neos fragten nun im Justizministerium an, wie diese Bestellung vonstattenging.

"Umfangreiche Bewerbung"

In der Beantwortung durch Justizministerin Alma Zadić (Grüne) heißt es, Edtstadler habe damals "in ihrer umfangreichen Bewerbung" auf Erfahrungen in der Führung "von (auch großen) Wirtschaftsstrafsachen und eine mehrmonatige Tätigkeit in einer Wirtschaftsprüfungs- und Treuhandkanzlei" verwiesen. Die Personalkommission hob damals Edtstadlers Erfahrungen als Referentin im Ministerium hervor. Deshalb wurde sie von 13 Bewerbern an dritter Stelle gereiht.

Gearbeitet hat Edtstadler bei der WKStA "aufgrund der weiteren Entwicklungen tatsächlich nicht", heißt es weiter. Eine künftige Verwendung sei aber "nicht ausgeschlossen"; die durch Edtstadler besetzten Ressourcen bei der wichtigen Korruptionsstaatsanwaltschaft würden ersetzt werden. Und wie wurde die jetzige Kanzleramtsministerin zur Oberstaatsanwältin, braucht man für diesen Titel laut Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz doch eine achtjährige Praxis?

Hier spricht das Justizministerium von einem "Irrtum" in der Neos-Anfrage. Edtstadler sei ja nicht in einer "A1-Planstelle im Bundesministerium für Justiz", wofür es die Praxiserfahrung "zwingend" brauche, sondern sie sei ja bei einer "staatsanwaltschaftlichen Planstelle bei der Staatsanwaltschaft" – eben bei der WKStA.

Neos: "Gesetz gezielt umgangen"

Die Neos zeigen sich über diese Anfragebeantwortung empört. "Das Ministerium macht es sich sehr einfach, wenn es meint: 'Liebe Opposition, ihr habt das Gesetz nicht verstanden, da liegt ein Irrtum vor'", sagt Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper. Sie denkt, dass das Ministerium das Gesetz "gezielt umgeht, um damit einzelne Personen zu protegieren und ihnen mehr Geld und Prestige zu verschaffen". Das sei ein "inakzeptabler Zustand", so Krisper.

Edtstadler ist freilich nicht der einzige Fall von Mascherlposten, diese Praxis gibt es in der Justiz schon seit Jahrzehnten. Auch der jetzige Sektionschef Alexander Pirker wurde einst auf solche Stellen bestellt. 2012 wurde er als Kabinettsmitarbeiter beispielsweise Stellvertreter des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Graz. In einer weiteren Anfragebeantwortung heißt es, dass Pirker alle Ernennungserfordernisse erfüllte – "mit Ausnahme einer zumindest einjährigen Praxis als Richter bei einem Gericht oder als Staatsanwalt". Aber Pirker war damals der "einzige Bewerber". Gegen das Vorgehen gab es Proteste im Ministerium, auch Edtstadler unterschrieb damals eine Beschwerde. (Fabian Schmid, Renate Graber, 14.4.2020)