Es passiert eigentlich selten, dass acht Jahre alte Games plötzlich wieder massenhaft Zulauf finden. Doch die Ausbreitung von Sars-CoV-2 hat viele Spieler wieder mit der Lust auf den Titel Plague Inc. (Windows, macOS, Android, iOS) von 2012 angesteckt. In diesem Game von Ndemic Creations geht es darum, einen Erreger zu entwickeln und damit die ganze Menschheit auszurotten, bevor ein Heilmittel gefunden werden kann.

Laut den Entwicklern hat man bei der Umsetzung des Games auch reale Ausbreitungsmodelle und andere wissenschaftliche Erkenntnisse einbezogen. Daher stellt sich die Frage: Hilft uns Plague Inc. dabei, die Coronavirus-Pandemie besser zu verstehen? Der STANDARD hat mit der Wiener Biomedizinerin Jasmin Hatami gesprochen. Sie forscht beruflich an antiviralen Therapien gegen Rhinoviren, die hauptverantwortlich für saisonale Schnupfenerkrankungen sind, und hat das Game unter die Lupe genommen.

Ndemic Creations

So spielt sich "Plague Inc."

Vorweg eine kleine Erklärung zu dem Spiel. Es handelt sich um eine strategische Simulation, in der der Spieler die Entwicklung eines Krankheitserregers übernimmt. Anfangs stehen hier Bakterien bereit, später kommen andere hinzu, darunter auch Viren. Man wählt ein Startland, in dem sich "Patient 0" infiziert und die Ausbreitung zuerst langsam beginnt.

Mit zunehmender Verbreitung erhält man Evolutionspunkte, die man in die Aufrüstung des Erregers stecken kann. Beispielsweise kann man zusätzliche Verbreitungswege schaffen, indem man etwa bestimmte Tiere als Überträger auswählt oder die Verbreitung über verschiedene Medien wie Luft und Wasser ermöglicht. Zudem kann man Symptome entwickeln, die teilweise die Verbreitung fördern – etwa Erkältungen, die die Verbreitung per Tröpfcheninfektion durch Husten und Niesen vorantreiben.

Ebenso lässt sich die Entdeckung des Erregers erschweren und später auch die Entwicklung eines Gegenmittels durch derlei Mutationen erschweren. Sobald die Symptome ein tödliches Ausmaß erreichen, verdient man auch auf diesem Weg Punkte, sieht sich aber auch mit erhöhten Forschungsanstrengungen und Isolationsmaßnahmen wie Grenzschließungen konfrontiert.

Die Übersichtskarte von "Plague Inc.", auf der die Ausbreitung in Form roter Einfärbung angezeigt wird.
Foto: Plague Inc

Ein Game als Mittel gegen Angst

"Das Spiel wurde schon so entwickelt, dass es der Realität nahekommt", sagt Hatami. "Jedoch ist der Ausbruch von Sars-CoV-2 eine ernstzunehmende globale Bedrohung und nicht nur eine spielerische Herausforderung." Plague Inc. sei aber ein gutes Mittel gegen Angst im Bezug auf die Pandemie. Wer sich mit dem Spiel beschäftige, werde herausfinden, "wie schwer es sein kann, die Menschheit zu besiegen".

Zudem ist das Game auch geeignet, Menschen ohne Vorwissen grundsätzlich zu zeigen, wie es zu einer solchen Durchseuchung kommen kann. Das trifft speziell auf Sars-CoV-2 mit seiner relativ hohen Infektiosität zu. "So hart es klingen mag, aber der Gefahr direkt ins Auge zu sehen ist einer der Wege, um Angst beseitigen zu können."

Defizite

Das Game hat freilich auch seine Grenzen, wenn es um die realistische Abbildung einer Pandemie geht. Eine davon ist schon im Spielziel selbst verhaftet. Denn im Gegensatz zu diesem hat ein Virus eigentlich kein Interesse daran, seinen Wirt zu töten, sondern ist eigentlich auf Koexistenz ausgelegt. Auch die Mutation eines Virus, die mitunter neue Symptome auslösen kann, ist in Plague Inc. sehr vereinfacht dargestellt. Im Spiel hat eine Veränderung des Erregers sofort globale Wirkung. In der Realität entsteht eine neue Variation des Virus, die sich entweder verbreiten kann oder ausstirbt.

"Mutation in der Welt der Viren ist ein ganz normaler Prozess, der im Zusammenhang mit der natürlichen Selektion steht", erklärt Hatami. "Die Variationen der Vervielfältigung des Viruserbguts bieten immer neue Mutationen an. Außerdem wird ein Virus immer nach der Stärke der Übertragbarkeit selektioniert. Die Übertragbarkeit ist die 'Fitness' des Virus, die Zahl seiner Nachkommen pro Generation."

Foto: Plague Inc

Wo es gute Infos gibt

Im Netz gibt es einige Anlaufstellen, bei denen sich Laien über das Coronavirus und Pandemien im Allgemeinen informieren können. Hatami empfiehlt etwa die Themenseite der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wie auch die Übersicht der US-Gesundheitsbehörde CDC und die Website des Wissenschaftsmagazins "Nature".

Empfehlenswert ist außerdem der "Corona Update"-Podcast des NDR mit dem renommierten Virusforscher Christian Drosten, der die Abteilung für Virologie in der Berliner Charité leitet. Auch die Wikipedia-Seite zu Sars-CoV-2 verschafft nach Einschätzung der Expertin einen "guten Überblick". (Georg Pichler, 16.4.2020)