Als Politikwissenschafter mit Schwerpunkt Klimapolitik sieht Mathias Krams besonders düstere Zeiten in puncto Klimawandel auf uns zukommen.

Foto: Joseph Krpelan

Wer der Corona-Krise etwas Positives abgewinnen möchte, landet bald beim Klima: Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stillstand bedeutet immerhin einen Rückgang der CO2-Emissionen. Eine Hoffnung, die Mathias Krams nicht teilt.

Als Politikwissenschafter mit Schwerpunkt Klimapolitik sieht er sogar besonders düstere Zeiten in puncto Klimawandel auf uns zukommen: "Eine durch das Coronavirus ausgelöste Rezession wird man zu kompensieren versuchen", sagt der Forscher, der sich bei Scientists for Future engagiert. "Man wird viel Geld in die Wirtschaft pumpen, das dann wahrscheinlich bei den nötigen Klimainvestitionen fehlt."

Radikale Maßnahmen

Gleichzeitig zeige sich im Corona-Notstand, dass im Ernstfall durchaus radikale Maßnahmen ergriffen werden können. "Im Klimabereich wären zwar auch einschneidende Umgestaltungen unter Einbeziehung der Bevölkerung nötig, doch solche wurden bislang nicht ansatzweise angegangen."

In seiner Dissertation am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, wo er seit 2018 als Assistent arbeitet, beschäftigt sich Mathias Krams mit urbaner Verkehrspolitik in der EU. Ist doch der Verkehr ein zentraler Verursacher von Luftverschmutzung, Lärm und zunehmender Sommerhitze in den Städten.

Die Strategien, mit denen Europas Städte dagegen ankämpfen, sind in Qualität und Quantität sehr unterschiedlich. "In Barcelona werden etwa in neuen Stadtvierteln verstärkt Begegnungszonen eingerichtet, die den Autoverkehr einschränken", so Krams. "In Luxemburg versucht man, den Verkehr durch Gratis-Öffis einzudämmen." Und Österreich? "Da sehe ich noch keine tiefgreifenden Maßnahmen."

Verschiedene Vorgehensweisen

Welche Dynamiken und Interessen hinter den verschiedenen Vorgehensweisen stehen, will er in seiner Arbeit ans Licht bringen. "In der Art der Problembearbeitung zeigt sich, welche Kräfte wirksam und welche ausgeschlossen werden."

Eine besondere Position nehmen dabei die fossile und die Fahrzeugindustrie ein, die eng mit der Politik verwoben sind. "Dadurch können Transformationen in den Bereichen Energie und Verkehr verhindert werden." Mit Fridays for Future sei allerdings eine starke Gegenbewegung entstanden, durch die sich die öffentliche Wahrnehmung der Klimaproblematik verändert habe.

"Eine Folge davon ist etwa die Ausrufung des Klimanotstands durch die österreichische Regierung", sagt Krams. So finde man im Regierungsprogramm durchaus einige ambitionierte Vorhaben, "zugleich sieht man aber auch, dass daraus wahrscheinlich keine konkreten Maßnahmen werden".

Strukturelle Gewalt

Zum Klima ist der 30-jährige Politikwissenschafter aus Rheinland-Pfalz über die Friedensforschung und seine Beschäftigung mit den verschiedenen Formen von Gewalt gekommen. "In der Klimakrise und ihren Folgen, etwa dem Verlust von Lebensgrundlagen, spiegelt sich strukturelle Gewalt", so der Forscher. "Mich interessiert, wie diese Strukturen beschaffen sind und was man dagegen tun kann."

Die intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema hat auch Auswirkungen auf die Lebensführung des begeisterten Bergwanderers: "Seit meinem Auslandssemester in Australien 2016 habe ich kein Flugzeug mehr bestiegen." (Doris Griesser, 21.4.2020)