Asklepios schaut versteinert auf die neubepflanzten Blumenrabatte. Das liegt in seiner Natur, schließlich steht die Statue des griechischen Gottes der Heilkunst am Rande des Großen Parterres im Schlosspark Schönbrunn. Im Jahr 1779 wurde die Parkanlage im Westen Wiens von Maria Theresia, Kaisergattin und Königin, für die Öffentlichkeit geöffnet, ab 16. März 2020 unter der Ägide von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) wie die übrigen Bundesgärten gesperrt. Seit Dienstag ist das Geschichte.

Leere vor dem Schloss.
Foto: Regine Hendrich

Die von den Bundesgärten als Grund für die Sperre genannte Sars-CoV-2-Verbreitungsgefahr im Gedränge vor den Eingangstoren bestätigt sich zumindest am Dienstagvormittag nicht. Zwei Polizisten mit Mund-Nase-Schutzmasken und Warnwesten beobachten am Haupteingang gelangweilt, wie die Stahlboller im Boden versenkt werden, um einem Lieferwagen die Zufahrt in den Schlosshof zu ermöglichen. Fußgänger oder Sportler sieht man nur vereinzelt.

Froh über Öffnung

Auch im rund 160 Hektar großen eigentlichen Parkgelände wird deutlich, dass hier auch 200 Meter Sicherheitsabstand machbar wären. Die breiten Alleen nutzen nur vereinzelt Läufer als Sportfläche. "Ich bin froh, dass es wieder offen ist", sagt ein älterer Herr in Sportkleidung. "Wobei ich nie ganz verstanden habe, warum es eigentlich gesperrt wurde. Da war wahrscheinlich auch was Politisches im Spiel", mutmaßt er. Die Folgen der Schließung für Läufer konnte er auf einer stark befahrenen Straße am Rande des Schlosses beobachten: "Am Grünen Berg sind sie auf dem Gehsteig aufeinandergepickt. Das war wie bei einem Marathon." Auch zwei Frauen mit Kinderwägen sind froh, dass sie den Nachwuchs abseits des Straßenverkehrs schieben können, sagen sie.

Auch der rund 160 Hektar große Schlosspark Schönbrunn ist wieder offen – überlaufen war er Dienstagvormittag noch nicht.
DER STANDARD

Froh ist man über die Wiedereröffnung der Bundesgärten auch im Wiener Stadtzentrum – zumindest die wenigen, die es in die Parks geschafft haben. Viele sind es jedenfalls nicht, die hier die Sonnenstrahlen genießen. "Wahrscheinlich liegt's am Wetter", sind sich die zwei gelbbewesteten Parksheriffs vor dem Wiener Burggarten einig. Viele sind am Dienstagvormittag noch nicht in den Bundesgarten gekommen.

"Darf ich?"

Zwei Fragen hätten die Menschen, die sich trotz des kalten Windes hierher verirren: "Darf ich rein, und warum sind nur die zwei Seiteneingänge geöffnet?", erzählen die Wächter, die eigentlich kontrollieren sollten, dass an den Eingangstoren der Sicherheitsabstand eingehalten wird. Momentan beantworten sie aber nur Fragen, denn Abstandhalten geht von allein, wenn kaum jemand kommt: "Ja, und das wissen wir leider nicht, das ist die Entscheidung der Bundesgärten", antworten sie.

Vereinzelt verweilen Menschen auf den Bänken des Burggartens.
Foto: Oona Kroisleitner

Im Burggarten hinter den Eisenstangen des Zauns ist es erstaunlich leer, vereinzelt sitzen ältere Menschen auf den Bänken und tanken Frischluft. Auch zwei Spaziergängerinnen sind auf Distanz voneinander, plaudernd schlendern sie durch den Park. "Wir wohnen im selben Haus, aber nicht gemeinsam", sagt eine der Frauen aus dem sechsten Wiener Gemeindebezirk. Sie seien erleichtert, dass die Gärten wieder geöffnet sind. Die Schließung konnten sie beide nicht nachvollziehen. "Wir genießen es jetzt", sagt eine der Frauen. Besonders am Vormittag, wenn noch so wenige Leute unterwegs sind. Jeden Tag seien sie spazieren gegangen, eine Stunde und 45 Minuten – circa. Um neun Uhr früh geht es los. Während die Gärten zu waren, sind sie den Ring entlang flaniert. Zum Rathauspark, rund um den Volksgarten und wieder zurück nach Hause.

Spazieren kann man fast allein im Burggarten.
Foto: Oona Kroisleitner

Auch im Wiener Volksgarten, nicht weit vom Burggarten entfernt, staut es sich bei weitem nicht an den Eingängen. Nicht einmal als erhöhtes Verkehrsaufkommen könnte man die ein, zwei Menschen, die ab und an durch die Tore gehen, bezeichnen. Drinnen spazieren Familien mit Kleinkindern am Laufrad neben den Rosenstöcken, Jogger tun etwas für ihre Fitness. Auch hier sind nur die Seiteneingänge geöffnet. "Vielleicht kommen die Leute am Mittwoch oder am Donnerstag, wenn es wieder wärmer wird", sagt einer der dort stationierten Parksheriffs. Dann könnte es sich etwas zuspitzen und die Wiener sich in die Bundesgärten drängen, sind er und seine Kollegin sich einig.

Vor dem Volksgarten ist wenig los.
Foto: Oona Kroisleitner

"Darf ich rein? Mit dem Fahrrad?", fragt eine Radlerin am Seiteneingang des Burggartens. "Ja und nein", antworten die Sheriffs gelassen.

Soft Opening auch im Wiener Augarten

Gestürmt wurde auch der Augarten am Dienstag von Besuchern nicht gerade. Dabei war der Bundesgarten fast einen ganzen Monat geschlossen und nicht zugänglich. Das lag aber hauptsächlich am knackig-frischen Wetter. Nur vereinzelt schafften es Sonnenstrahlen, sich gegen den kalten Wind zu behaupten. Einige Jogger, Familien mit Kindern und ältere Spaziergehen ließen sich davon aber nicht beirren. Um den Zugang besser kontrollieren zu können, wurden einige Eingänge des Parks erst gar nicht geöffnet. Und dort, wo der Zutritt möglich war, kontrollierten Parkwächter den Zustrom und die Einhaltung der Ein-Meter-Abstandsregel beim Eingang. Ob er heute einige Besucher schon tadeln musste, wurde ein Parkwächter gefragt. "Das Gegenteil ist der Fall. Ich kann mich von einigen schimpfen lassen", meinte er trocken. Das sei aber die Ausnahme. Die ersten Gäste seien heute schon um halb sieben in der Früh pünktlich zur Öffnung vor den Toren gestanden.

Ein Vater spielt auf einer Wiese mit seinen zwei Jungs Fußball. Das geht eine Viertelstunde gut, ehe ein Mitarbeiter der Bundesgärten mit seinem Gefährt um die Ecke biegt. Mehr bestimmt als freundlich macht er den dreien klar, dass auf dieser Wiese nicht mehr gekickt werden darf. Sie mögen bitte eine andere Grünfläche im Park benutzen. "Ich bin Anrainer, lebe seit 20 Jahren in der Nähe des Augartens", meint der Vater. "Von dieser Fläche hier wurden wir jetzt zum ersten Mal weggeschickt."

Im Park dreht Dienstagmittag auch ein Polizeiauto seine Runden. Weil aber so wenig los ist, ist hier die Kontrolle der Ein-Meter-Abstandsregel kaum ein Thema. Nach dem Soft Opening steht dem Augarten in den nächsten Tagen die Bewährungsprobe ins Haus: Für Donnerstag und Freitag werden in Wien rund 24 Grad Celsius prognostiziert. Dann zeigt sich, ob die Abstandsregeln auch bei mehr Zustrom ohne Probleme eingehalten werden können.

Die Polizei patrouilliert im Augarten.
Foto: David Krutzler

Ausweichen in Begegnungszonen

Auch abseits großer Parks sind Platzverhältnisse ein Thema. So weist seit Freitag bei der Zufahrt der Rechten Bahngasse ein Schild darauf hin, dass die Straße nun ebenso zum Spazieren da ist wie zum verlangsamten Auto- und Radfahren: Die Gasse im dritten Wiener Gemeindebezirk wurde vergangenen Freitag zur temporären Begegnungszone erklärt. Sie zählt damit zu jenen Zonen, die Fußgängern in Wien nun mehr Platz verschaffen sollen. Bereits in neun Bezirken wurden derartige Zonen umgesetzt. Sie sind bis Ende April befristet, über eine etwaige Verlängerung wird demnächst entschieden, heißt es aus dem Büro von Birgit Hebein zum STANDARD. "Weitere Ideen aus den Bezirken" würden derzeit geprüft.

Denn in der Praxis gestaltet sich das Einhalten des Ein-Meter-Sicherheitsabstands im öffentlichen Raum mitunter schwierig, wenn es am Gehsteig zu eng wird. Nun soll man in den Begegnunszonen bedenkenlos auf die Fahrbahn ausweichen können – oder überhaupt auf der Straße spazieren. Alle Verkehrsteilnehmer sind dort gleichberechtigt.

Dienstagmittag sind nur wenige Menschen in der Rechten Bahngasse unterwegs. Ebenso wenige Autos fahren hier entlang, diese halten sich dafür dem Anschein nach fast ausnahmslos an die Tempolimitbeschränkung (20 km/h). Parkende Autos säumen wie gewohnt die Ränder der Gasse. Bestehende Parkregelungen bleiben aufrecht, betont die Stadtregierung.

Schilder weisen auf die Begegnungszone hin. Im Bild die Florianigasse.
Foto: APA/Punz

Zögerliche Benützung der Straße

Eigentlich hätten die Autofahrer hier derweil noch keinen Anlass dazu, das Tempo zu drosseln: Ausnahmslos alle spazieren am Gehsteig, auf die Fahrbahn wagt sich noch niemand. Das könnte daran liegen, dass noch nicht alle von der Einführung der Begegnungszone gehört haben: "Dass es das gibt, war mir nicht bewusst", sagt etwa eine Anrainerin, die mit ihren beiden Kindern spazieren ist. Im Gegensatz zu Freunden, die sich nur mehr in der Wohnung aufhalten würden und ausschließlich mit dem Auto ins Grüne fahren, gehe sie auch im Grätzl regelmäßig an die frische Luft, erzählt die Frau. Dass es dafür nun mehr Platz gebe, sei eine gute Sache, das könne man auch nach der Krise "so belassen", sagt sie.

Ein wenig geschäftiger geht es hingegen in der Florianigasse im 8. Bezirk zu. Auch dort wurde im Abschnitt zwischen der Zweierlinie und der Skodagasse eine Begegnungszone eingerichtet. Viele der Fußgänger tragen eine Maske. Die meisten sind darauf bedacht, zu entgegenkommenden Passanten Abstand zu halten. Den ausweichenden Schritt auf die Fahrbahn wagen die meisten aber nur zögerlich.

Ja, er habe es schon gehört, dass hier eine Begegnungszone eingerichtet werden soll, sagt ein junger Mann, der kürzlich hierher gezogen ist. Mit Verwunderung blickt er nach dem Hinweis, dass die Zone bereits seit dem Wochenende gelte, auf ein entsprechendes Schild. Tatsächlich dominieren auch hier die Autos die Fahrbahn. Vereinzelt wird man angehupt, wenn man einen Versuch startet, auf der Straße zu gehen. Zusätzlich zu den Begegnungszonen wurden 20 Straßen für Fußgänger geöffnet. Auf diesen galt allerdings ohnehin bereits ein Fahrverbot. (Oona Kroisleitner, David Krutzler, Michael Möseneder, Vanessa Gaigg, 14.4.2020)