Italiens Wirtschaft wird von Corona besonders hart getroffen.

Foto: EPA/MAURIZIO BRAMBATTI BT

Einem geschenkten Gaul schaut man normalerweise nicht ins Maul – aber wenn wegen des Geschenks eine Regierungskrise droht, dann schon. Bei der europäischen Hilfe, mit der sich Rom derzeit schwertut, handelt es sich um die Kreditlinie von 240 Milliarden Euro aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), die von den Finanzministern der Eurozone in der Nacht auf Karfreitag beschlossen worden ist.

Knapp 40 Milliarden davon wären für Italien reserviert. Aber sowohl Regierungschef Giuseppe Conte als auch Vize-Wirtschaftsminister Antonio Misiani haben in diesen Tagen klargestellt, dass sie auf diese Hilfe verzichten wollen. Der Grund ist der schlechte Ruf, den der ESM in Italien und in ganz Südeuropa genießt: Das Instrument war ursprünglich zur Rettung von überschuldeten Staaten ins Leben gerufen worden und konnte – wie im Fall Griechenlands – nur unter sehr strengen und als demütigend empfundenen Auflagen in Anspruch genommen werden.

"Unterwerfung"

Der rechtsradikale und europafeindliche Lega-Chef und Ex-Innenminister Matteo Salvini stellt den europäischen Rettungsschirm pauschal als Instrument der Unterwerfung durch Brüssel dar: Nach der mühsamen Einigung der europäischen Finanzminister vor Ostern warf er Conte vor, Italien an die EU "verkauft" zu haben.

Das zentrale Problem des parteilosen Premiers Conte ist aber nicht Salvini, sondern die stärkste politische Kraft in seiner Regierung, die Fünf-Sterne-Bewegung. Zumindest deren radikaler und europaskeptischer Flügel lehnt die in Aussicht gestellten ESM-Kredite ebenfalls ab. "Wenn Conte sein Wort bricht und den ESM-Krediten zustimmen wird, werden wir der Regierung den Stecker ziehen", betonte der Fünf-Sterne-Senator Michele Giarrusso – und er ist bei weitem nicht der Einzige in seiner Fraktion, der so denkt. Mit anderen Worten: Stimmt Conte den Kreditlinien des Stabilitätsmechanismus zu, droht der Sturz seiner Regierung.

Sozialdemokraten dafür

Unterstützt wird das Corona-Hilfspaket der EU von den Sozialdemokraten des PD, dem kleineren Koalitionspartner. Kulturminister Dario Franceschini warf den Grillini wegen deren Ablehnung der ESM-Kredite eine "kindische" Haltung vor: Die Auflagen und Bedingungen für die Hilfen seien von den EU-Finanzministern aus Rücksicht auf die Bedenken Italiens gestrichen worden; es gebe keinen Grund mehr, Angst vor der Troika aus EU, EZB und IWF zu haben.

Nicht rundweg abgelehnt wird der ESM auch von der Berlusconi-Partei Forza Italia, die im Europaparlament der EVP-Fraktion angehört. PD und Forza Italia kommen aber im Römer Parlament nicht auf eine Mehrheit. Bisher hat Conte betont, dass er seine ablehnende Haltung bezüglich des ESM nicht ändern und notfalls dem gesamten EU-Hilfspaket die Unterschrift verweigern werde.

Offene Finanzierung

Doch das letzte Wort in der Angelegenheit ist noch nicht gesprochen: Bei der vorösterlichen Einigung auf das insgesamt 540 Milliarden Euro umfassende Corona-Hilfspaket wurde zusätzlich auch die Schaffung eines Wiederaufbaufonds ("Recovery Funds") in der Höhe von 1.000 Milliarden Euro zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie ins Auge gefasst. Wie dieser finanziert werden soll, wurde von den Finanzministern offen gelassen.

Am kommenden EU-Gipfel vom 23. April wird sich Conte für eine Finanzierung durch gemeinsame Anleihen – also "Corona-Bonds" oder Eurobonds – einsetzen: "Wir werden dafür kämpfen, die 'Corona-Bonds' zu bekommen. Und ich werde klarstellen, dass der ESM völlig unangemessen ist." Mit dieser Haltung wird der italienische Premier von zahlreichen anderen von der Epidemie stark betroffenen Staaten unterstützt werden, unter anderem von Frankreich und Spanien. (Dominik Straub aus Rom, 15.4.2020)