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Die Rodung von Regenwäldern wie jenen beim Amazonas bringt nicht nur Wildtiere in Bedrängnis. In deren Folge steigt auch die Gefahr, dass Infektionskrankheiten von Tieren auf Menschen überspringen.

Foto: Picturedesk / AP / Leo Correa

Die Covid-19-Pandemie hat eine spezielle Form von Krankheiten ins Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt: Zoonosen. Es handelt sich dabei um Infektionskrankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden. Das Virus Sars-CoV-2 dürfte über einen tierischen Zwischenwirt von einer Fledermaus auf den Menschen übergesprungen sein. Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass eine speziesübergreifende Pandemie zum Ausbruch kommt. Und die vielfältigen Eingriffe des Menschen in die Biosphäre machen die Entstehung derartiger Infektionskrankheiten auch in Zukunft immer wahrscheinlicher – jedenfalls dann, wenn nicht gegengesteuert wird.

"Auf den ersten Blick hat das Abholzen von Regenwäldern nicht viel mit Infektionskrankheiten zu tun", sagt Klaus Hackländer, Professor am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien. "Doch Waldrodungen führen dazu, dass Lebensräume verlorengehen oder an Qualität verlieren." Tiere, die davon betroffen sind, werden anfälliger für Krankheiten. Gleichzeitig erschließen sie Lebensräume, die immer näher an der menschlichen Zivilisation liegen.

Gefährlicher Kontakt

"Menschen dringen immer weiter in intakte Lebensräume ein, ertschüttern, verändern und zerstören sie. Damit beeinträchtigen wir die Artenvielfalt und verringern den notwendigen Barriereraum zwischen Mensch und Tier", sagt Lukas Meus, Waldexperte bei Greenpeace. "Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Viren vom tierischen Wirt auf den Menschen überspringen und Epidemien ausbrechen."

Auch Hackländer betont, dass sich die Beschneidung von Lebensräumen nicht nur auf das Wohlbefinden von Tieren auswirkt, sondern auch auf deren Gesundheit. "Tiere in solchen Lebensräumen sind krankheitsanfälliger, in direktem Kontakt zu Menschen ergibt sich dadurch eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Zoonosen." Dasselbe gelte für Wildtiere, die lebend auf Wildtiermärkten gehandelt werden, wie dies vor allem in einigen Regionen Asiens gang und gäbe ist. Genau diese Kontaktfläche dürfte auch die Übertragung von Sars-CoV-2 auf den Menschen ermöglicht haben.

Lyme-Borreliose durch Abholzung

Wissenschafter gehen davon aus, dass rund 30 Prozent der Infektionskrankheiten auf Landnutzungsänderungen wie die Abholzung von Regenwald zurückgehen. Das Lehrbuchbeispiel einer durch Waldzerstörung befeuerten Infektionskrankheit ist die Lyme-Borreliose. Wie Wissenschafter zeigen konnten, war es die Abholzung und Fragmentierung von Wäldern an der US-Ostküste, die dazu führte, dass sich kleine Nagetiere mangels Fressfeinden verstärkt ausbreiten konnten. Diese fungierten als Wirte der Lyme-Erreger, die über Zecken auf Menschen übertragen werden. Die Folge: Die Lyme-Borreliose nahm infolge der Abholzung zu. Ein weiteres gut dokumentiertes Beispiel ist die Zunahme von Malaria um knapp 50 Prozent durch die Abholzung des Amazonas-Regenwalds.

Nicht immer ist der Zusammenhang von Waldzerstörung und der Entstehung von Infektionskrankheiten so deutlich belegbar. "Ich würde ja gerne sagen, dass mehr Biodiversität immer bedeutet, dass es weniger Krankheiten gibt. Aber so einfach ist der Zusammenhang leider nicht", sagt Chris Walzer, Professor für Wildtierkunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Leiter der Abteilung Gesundheit bei der Wildlife Conservation Society in New York. Es gibt offenkundige Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Ökosystemen, Tieren und Menschen, aber diese sind sehr komplex, wodurch eine einfache Kausalbeziehung nicht immer nachweisbar ist.

Holistische Betrachtung

"Was sich aber eindeutig sagen lässt und wofür es gute wissenschaftliche Daten gibt, ist, dass die sogenannten Edges of Destruction, die Kontaktflächen zwischen Menschen und Wildtieren, die gefährlichsten Zonen bei der Entstehung neuer Krankheiten sind", sagt Walzer.

Um auf die wechselseitige Abhängigkeit von Ökosystemen, Tiergesundheit und menschlicher Gesundheit hinzuweisen, haben Forscher bereits vor Jahren die Initiative One Health gegründet. Deren Ziel ist es, über die Grenzen der wissenschaftlichen Disziplinen hinweg zu forschen. Die jetzige Pandemie könnte langfristig zumindest dazu beitragen, dass holistischeren Ansätzen im Umgang mit Gesundheit, wie sie etwa durch One Health vorgeschlagen werden, mehr Aufmerksamkeit zukommt.

"Wenn man Naturschutz ernst nimmt, muss man ihn auch in Beziehung setzen zu Volksgesundheit und Pandemien", sagt Hackländer. "Der Verlust von Biodiversität fällt uns irgendwann unweigerlich auf den Kopf. Nicht nur deswegen, weil uns die Arten abgehen, sondern weil wir uns dadurch auch mit neuen Krankheiten auseinandersetzen müssen." (Tanja Traxler, 15.4.2020)