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Die Corona-Krise beflügelt die Popularitätswerte von Übergangspremier Benjamin Netanjahu (re.). Sollte es zu den vierten Neuwahlen in Folge kommen, wäre das für ihn wohl kein Nachteil.

Foto: reuters/amir cohen

Bleibt es den Israelis erspart, zum vierten Mal in Folge ein neues Parlament zu wählen, weil es wieder nicht gelang, eine Regierung zu bilden? Einer Antwort auf diese Frage ist das Land Mittwoch, Mitternacht, schon deutlich näher. Bis Mitternacht haben die Koalitionsverhandler, Übergangspremier Benjamin Netanjahu und sein Rivale Benny Gantz, noch Zeit, um sich zu einigen. Eigentlich wäre die Frist schon am Montag abgelaufen. Weil die Verhandler dem Präsidenten versicherten, dass sie knapp vor einer Einigung stünden, stimmte Staatsoberhaupt Reuven Rivlin einer Fristverlängerung um weitere zwei Tage zu.

Offiziell bekamen Netanjahu und Gantz also 48 Stunden, um einen Deal zu schmieden. De facto ist es weniger Zeit: Dienstagabend begann das Fest zum Pessach-Ende. Um die Feiertagsruhe zu wahren, kehrten die beiden Parteichefs dem Verhandlungstisch bis Mittwoch nach Sonnenuntergang den Rücken. Danach bleiben nur knapp fünf Stunden.

Desinformation im Umlauf

Einig sind sich Netanjahu und Gantz dem Vernehmen nach bereits, was eine Teilannexion des Westjordanlands betrifft. Das war aber nicht der einzige strittige Punkt. Zankapfel Nummer eins ist, wenn man gut informierten Kreisen glauben darf, die Frage der Richterbestellung. Netanjahus Likud-Partei will direkten Zugriff, Gantz sagt Njet. Wirklich gut informiert ist in diesen Tagen aber niemand. Einige Beteiligte innerhalb und außerhalb des Verhandlungsteams streuen über diverse Kanäle gezielt Desinformation, um die Verhandlungen zu beeinflussen.

So hieß es in den vergangenen zwei Wochen des Öfteren, die Verhandlungen stünden kurz vor einem Durchbruch – dann wieder war von gravierenden Unstimmigkeiten die Rede.

Die Uhr tickt

Sollte es bis Mitternacht zu keiner Einigung kommen, geht der Ball ans Parlament, also an die Knesset, der dann drei Wochen Zeit bleiben, um eine mehrheitsfähige Regierung zustande zu bringen. Wenn auch diese Frist ergebnislos verstreicht, kommt es automatisch zu Neuwahlen.

Netanjahu hat jedenfalls weniger zu verlieren als Gantz. Letzterer hat durch die Spaltung seines Parteienbündnisses fast die Hälfte der Mandate verloren. Netanjahu hingegen erlebt in der Corona-Krise einen Aufwind in Sachen Popularität. Eine Wahl zum heutigen Zeitpunkt würde ihm laut Umfragen gleich vier Mandate mehr bringen als beim letzten Urnengang am 2. März. Vier Mandate sind nicht wenig: Derzeit fehlen Netanjahus Wahlbündnis nur drei Sitze auf eine Mehrheit ohne Benny Gantz.

Linker Flügel geschwächt

Sollte es zu einer Einigung zwischen Gantz und Netanjahu kommen, würde das den einjährigen Stillstand beenden: Israel hätte wieder eine gewählte Regierung. Es wäre eine Regierung mit einer stärkeren Opposition von rechts und einer deutlich geschwächten Opposition von links: Amir Peretz, Chef der sozialdemokratischen Arbeiterpartei – jener Partei, der wichtige nationale Symbolfiguren wie David Ben Gurion und Yitzhak Rabin entstammten –, hat nach der Wahl angekündigt, mit der Partei von Benny Gantz zu kooperieren und für eine Regierung mit dem früheren Erzfeind Netanjahu zur Verfügung zu stehen. (Maria Sterkl aus Tel Aviv, 15.4.2020)