Die coronabedingten Geschäftsschließungen dürften noch zu einigen Rechtsstreitigkeiten führen.

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Rechtlich betrachtet ist die Corona-Pandemie ein "außerordentlicher Zufall". Laut Paragraf 1104 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), der solche Zufälle aufzählt ("Feuer, Krieg oder Seuche, große Überschwemmungen, Wetterschläge"), sind Mieter von Geschäftsräumen zur Mietzinsminderung berechtigt, wenn ihr Mietobjekt wegen eines solchen Ereignisses nicht verwendet werden kann. Bisher kam so etwas überaus selten vor.

In der Zweiten Republik gab es erst ein höchstgerichtliches Urteil zu diesem Paragrafen. 1955 entschied der OGH, das "Ausfischen eines gepachteten Fischereirechtes" durch eine Besatzungsmacht zähle zu den außerordentlichen Zufällen im Sinne des § 1104 ABGB.

Auch wenn letztgültige Klarheit nur neuerlich der OGH schaffen wird können: In der Fachwelt ist es unumstritten, dass die Corona-Pandemie als so ein "außerordentlicher Zufall" gilt – und damit auch das Recht auf Mietzinsminderung für Gewerbemieter.

Befreiung vom Mietzins

Genau genommen steht dieses Recht im §1096 ABGB. Ein Mieter ist von der Mietzinszahlung befreit, wenn der Mietgegenstand ohne sein Verschulden (also entweder aus Verschulden des Vermieters oder aus einem "gewöhnlichen Zufall" heraus) während der Vertragslaufzeit unbenutzbar wird, heißt es darin sinngemäß.

§ 1104 bringt dann den außerordentlichen Zufall ins Spiel: Tritt ein solcher auf, "ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten".

Dass es so wenig Judikatur zu diesem Paragrafen gibt, liegt laut Andreas Vonkilch daran, dass es bisher bei vergleichbaren Sachlagen "nicht viel Diskussionsbedarf" zwischen Mietern und Vermietern gab.

Wurde ein Geschäftslokal etwa durch ein Hochwasser schwer in Mitleidenschaft gezogen, war klar, dass der Mieter nichts mehr zu zahlen braucht, so Vonkilch, Zivilrechtsprofessor an der Uni Innsbruck.

Bei Corona ist das nicht so augenscheinlich: Die Geschäfte sind baulich intakt, sie dürfen bloß nicht betreten werden (auch wenn es kürzlich zu ersten Lockerungen dieser Maßnahmen kam). Deswegen schwirren nun laut Vonkilch auch diverse "abenteuerliche" Rechtsmeinungen herum.

Sein Highlight: Eine Hausverwaltung schrieb Mietern, dass sie die Miete selbstverständlich weiter zahlen müssten, denn das ABGB sei schon "so alt", deshalb hier nicht relevant.

Betretungsverbot

Insbesondere bei den Geschäften, bei denen es aufgrund der Verordnungen zu einem De-facto-Betretungsverbot kam, steht eine zumindest teilweise Mietzinsminderung aus seiner Sicht aber außer Streit. Spannender sei der Bereich, wo es kein Betretungsverbot gab. Physiotherapeuten nennt er als Beispiel. Die durften zwar offen halten, aber die Leute kamen nicht bzw. durften nicht kommen.

Letztlich werde es wohl auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Mietobjekts ankommen, meint auch Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer. "Kann ich das Mietobjekt trotz Betretungsverbots noch für den Zweck verwenden, für den ich es angemietet habe?"

Von einem Physiotherapeuten könne man ja nicht verlangen, dass er in der zu geschäftlichen Zwecken gemieteten Räumlichkeit auf Essenslieferungen umstellt oder ein Lebensmittelgeschäft aufmacht.

Geschäftszweck

Allerdings heiße es in Mietverträgen oft schlicht "für gewerbliche Zwecke", darauf weist Gabriele Etzl von Deloitte Legal hin, die sowohl Mieter als auch Vermieter von Geschäftsflächen zu ihren Klienten zählt. "Damit ist ja nicht unbedingt Kundenverkehr gemeint." In manchen Fällen werde man den Geschäftszweck wohl künftig enger fassen müssen.

Große institutionelle Vermieter würden aber auch bereits darangehen, ihre Mietverträge bezüglich des "außerordentlichen Zufalls" zu überdenken, berichtet Rosifka. Und zwar dahingehend, dass künftige Mieter auch im Fall einer pandemiebedingten Schließung zur Zahlung des vollen Mietzinses verpflichtet sind.

Ob das vor den Höchstrichtern hält, ist aber ungewiss. "Standardverträge werden besonders genau auf gröbliche Benachteiligung kontrolliert", sagt Vonkilch. Bleibt zu hoffen, dass es nun wieder sehr lange keinen Anlass gibt, das auszufechten. (Martin Putschögl, 16.4.2020)