Der Corona-Hausarrest fühlt sich für mich nicht völlig unvertraut an: Ich bin eine erfahrene Selbstisolationistin und Ausgehbeschränkte.

Scherz beiseite, zweimal in meinem Leben, einmal freiwillig, einmal unfreiwillig, war der öffentliche Raum für mich nur begrenzt erreichbar: einmal, als ich in einem mehrwöchigen Kraftakt meine Doktorarbeit zu Ende schrieb und das Haus wahrscheinlich weniger oft verließ als momentan. Damals machten meine Bandscheiben auch noch Schreibtischarbeit von sieben Uhr früh bis spät in die Nacht mit, das ginge jetzt nicht mehr.

Das zweite Mal war in Bagdad, als Diplomatin fürs Außenministerium. Zeitweise war die Luft sehr "gelsenhaltig": So bezeichneten wir die Raketen, die den Aufenthalt im Freien, immer angetan mit Splitterschutzweste und "Helm am Mann", etwas ungemütlich machten. Unsere fortifizierten Behausungen waren auch nicht ganz sicher, aber viel sicherer.

Die Goldbergvariatonen

Genau deshalb verabscheue ich die Kriegsmetapher für die jetzige Krise: Krieg, das ist, wenn man in den eigenen vier Wänden eben keinen Schutz mehr findet. Wenn Krieg ist, nützt es nichts, sich einzusperren.

Was mich aber an die Zeit im Irak erinnert, ist das Bedürfnis nach Struktur, damals nicht, um einen Tag zu ordnen oder zu füllen, sondern um dem wütenden Chaos draußen, dem Bürgerkrieg, wenigstens im Inneren etwas entgegenzusetzen. Typischerweise griff ich auf Johann Sebastian Bach zurück: Und die Goldbergvariationen höre ich auch jetzt.

Überhaupt beobachte ich bei mir eine gewisse Bilder-Müdigkeit: Die Bilder, die wir "konsumieren", kommen ja zurzeit meist aus einem rechteckigen Kastl. Meine Empfehlung (wenn Sie nicht gerade STANDARD lesen): Reisemagazine aus dem Radio und die Bilder aus dem Hirn – und Herzen – abrufen. (Gudrun Harrer, 16.04.2020)