Die Immobilienwirtschaft geht bisher bei staatlichen Unterstützungen aufgrund der Corona-Krise leer aus, vermutlich auch, weil an den Baustellen Betrieb herrscht.

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An den österreichischen Baustellen wird wieder gearbeitet. Fast hat es den Anschein, als könne das Coronavirus der Immobilienwirtschaft nichts anhaben. Der Schein trügt: Die Branche ist keinesfalls vor den Auswirkungen gefeit, vor allem im Hotelmarkt und bei gewerblichen Mieten drohen massive Zahlungsausfälle. Finanzierungen, die viele Immobilienprojekte erst ermöglichen, geraten dadurch unter Druck.

Die Regierung hat an die Banken appelliert, Kulanz an den Tag zu legen – das ist jedoch ein Widerspruch. Infolge der letzten Finanzkrise wurde – wohlgemerkt nicht grundlos – ein Regime für Banken aufgebaut, das strengere Kriterien vorsieht und Spekulation im Keim ersticken soll.

Die Banken halten derzeit noch die Füße still – doch wie lange noch? Das liegt nicht nur etwa am Willen, sondern auch schlichtweg daran, dass Banken gewisse Sorgfaltspflichten erfüllen müssen. Kommt es zu Verzögerungen bei der Rückzahlung von Krediten, werden Verträge gebrochen. Einfache Stundungen sind eine Sache, aber in vielen Fällen werden vertragliche Verpflichtungen gleich mehrfach gebrochen.

Non-Performing Loans

Vor solchen Fällen können die Banken nicht die Augen verschließen. Kann ein Schuldner seinen Kredit nicht zurückzahlen und wird dieser über einen Zeitraum von mehr als 90 Tagen nicht beglichen, so müssen Banken jene Kredite grundsätzlich als notleidend, sprich als Non-Performing Loans einstufen.

Die Weitergabe des Kredits in die Sanierungsabteilung ist dann der nächste unausweichliche Schritt. Schon zum Ende des nächsten Quartals am 30. Juni 2020 könnte die Lage eskalieren. Es ist daher über etwaige Stundungen fälliger Kredite proaktiv mit der Bank zu verhandeln.

Besonders positiv ist dabei die Initiative der österreichischen Bundesregierung zu bewerten, Stundungen in bestimmten Situationen, vor allem bei Privatpersonen und im KMU-Bereich, gesetzlich anzuordnen.

Fraglich ist die Entwicklung der Beziehung zwischen Banken: Gerade bei sehr großen Projekten sind syndizierte Kredite Usus. Mehrere Banken beteiligen sich dann als Kreditgeber, weil die Summe für eine Bank zu hoch ist bzw. das Risiko für ein einzelnes Institut durch Diversifikation gesenkt werden soll. Grundlage dafür ist, dass die beteiligten Banken nicht nur dem Kreditnehmer, sondern sich auch untereinander vertrauen.

Erinnerungen an 2008

Gerade dieses Vertrauen kann einer großen Belastungsprobe unterzogen werden, wie auch die große Finanzkrise 2008 gezeigt hat. Die Situation erinnert an diese Zeit, als Banken aus mangelndem Vertrauen in die Beständigkeit der Partner nicht an einem Strang zogen. Diese von Misstrauen geprägte Atmosphäre brachte einige Banken aber auch viele Unternehmen, die keine Kredite mehr bekamen, an den Rand der Insolvenz.

Die Gefahr, dass das Kreditsystem nun seine Funktionalität einbüßt, wächst. Das ganze System der Finanzierung könnte dann brachliegen: Daran ändert auch der mittlerweile beliebte Finanzierungsmix mit integrierten alternativen Finanzierungsformen wenig. Eigenkapital kann in den meisten Fällen fehlendes Fremdkapital nicht ersetzen, selbst wenn auf Mezzaninekapital oder Crowdinvesting als Geldquelle zurückgegriffen wird.

Politische Unterstützung

Branchen wie Handel, Gastronomie oder Tourismus wurden von der Politik schnell als Schlüsselbranchen ausgemacht, die unterstützt werden müssen. Die Immobilienwirtschaft geht bisher leer aus, vermutlich auch, weil an den Baustellen Betrieb herrscht und die möglichen Auswirkungen auf die Wirtschaft für die Regierung weniger greifbar sind als geschlossene Hotels, Restaurants oder Filialen von Handelsketten.

Das Nichteingreifen in die Immobilienwirtschaft geht aber auch nur eine gewisse Zeitlang gut. Überbrückungskredite sind nur ein kleines Pflaster auf einer wachsenden Wunde. Auch gesetzliche Kreditstundungen können letztlich fehlende Einnahmen nicht kompensieren. Zuschüsse oder steuerliche Maßnahmen können hier für Sicherheit sorgen.

Diese Art politischer Unterstützung würde die Lage entschärfen, ist jedoch derzeit wie auch weiterführende Gesetzesänderungen nicht angedacht. Ein europäischer Schulterschluss ist trotz des kürzlich gefassten Beschlusses noch nicht absehbar.

Die EU steht in dieser Hinsicht noch am Anfang, bisher gesetzte Maßnahmen zeigen noch keine Wirkung. Daher gibt es in Europa derzeit wohl keine andere Möglichkeit, als auf nationaler Ebene zu reagieren. Das ist besser, als überhaupt keine Maßnahmen zu setzen und die Wirtschaft sich selbst zu überlassen. (Christoph Urbanek, 16.4.2020)