Viel war in diesen Wochen von den "Heldinnen und Helden der Arbeit" die Rede. Den Krankenpflegerinnen und Pflegern, den Müllmännern, den Leuten, die Supermarktregale füllen und die Infrastruktur instand halten. Was so gut wie nie dazugesagt wurde: Die überwältigende Mehrheit dieser Menschen, die in den Worten von Gewerkschaftspräsident Wolfgang Katzian "den Karren ziehen", sind Zuwanderer.

Die sogenannten Ausländer, von denen viele längst österreichische Staatsbürger sind, kommen in der öffentlichen Wahrnehmung meist nur dann vor, wenn es um Konflikte geht, um Kriminalität, um Brennpunktschulen, um Migrationsprobleme. Dass etwa die hierzulande tätigen Bauarbeiter fast durch die Bank türkische oder balkanische Wurzeln haben, wissen wir zwar, aber wir haben es nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Der typische Wiener Bauarbeiter war traditionell ein Burgenländer, heute ist er ein Türke oder ein Sohn türkischer Gastarbeiter. Der nächste Chef der Bauarbeitergewerkschaft sollte angemessenerweise einen türkischen Namen haben.

Justizministerin Alma Zadić ist die erste österreichische Spitzenpolitikerin mit Migrationshintergrund.
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Es hat der Einreiseschwierigkeiten für die 24-Stunden-Pflegerinnen bedurft, um uns ins Bewusstsein zu rufen, wie sehr wir von den Zuwanderern und Zuwanderinnen abhängig sind und wie sehr diese mittlerweile zu unserem Alltagsleben dazugehören. Altenbetreuung ohne die Frauen aus Rumänien und der Slowakei? Unmöglich. Ihr Fernbleiben? Eine Katastrophe.

Kunst- und Musikszene

An die bosnische Putzfrau und den serbischen Paketboten haben wir uns inzwischen einigermaßen gewöhnt. Aber wo sind die Zuwanderer in den gehobenen Berufen? Als Alma Zadić Justizministerin wurde, gab es einen Aufschrei. Dieser ist mittlerweile verstummt. Möglich, dass diese erste Spitzenpolitikerin mit Migrationshintergrund, unbestritten eine der besten und qualifiziertesten im Regierungsteam, einen Durchbruch verursacht hat. Wenn man auf jemanden stolz sein kann, sagt man eher: Das ist eine oder einer von uns.

Wer französische Filme sieht und den Abspann liest und wer in deutschen oder britischen Qualitätszeitungen blättert, findet viele fremdartige Namen. Einer der führenden deutschen Corona-Forscher ist in der Türkei geboren. Der Londoner Bürgermeister kommt aus Pakistan. Bei uns ist so etwas seltener. In der Kunst- und Musikszene, wo es weniger Vorurteile gibt und wo es mehr als sonst wo um Talent und Qualität geht, haben Migranten am ehesten eine Chance. Ein Top-Konzertprogramm mit ausschließlich "echt österreichischen" Künstlern? Unvorstellbar. Andere Branchen wären gut beraten, sich hier ein Beispiel zu nehmen.

Nach der Krise, heißt es, wird sich unser Land verändert haben. Nichts, sagen manche, wird so sein wie zuvor. In den Tagen der Ausgangsbeschränkungen und der stillgelegten Wirtschaft haben wir so manches dazugelernt. Eine der Lehren: die Zuwanderer, ob mit oder ohne Staatsbürgerschaftsnachweis, spielen eine wesentliche Rolle, wenn es gilt, das Land einigermaßen in Gang zu halten. Vielleicht wird von dieser Erkenntnis eines schönen Tages mehr übrig geblieben sein als folgenlose Lobpreisungen "unserer" Helden der Arbeit. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 15.4.2020)