Barack Obama drückt klar und deutlich seine Unterstützung für Joe Biden aus.

Foto: Imago

Bild nicht mehr verfügbar.

Üblicherweise sind Ex-Präsidenten der USA zurückhaltend, was Kommentare zum aktuellen politischen Geschehen betrifft.

Foto: Reuters/Reed

Im Juli 2004 hielt Barack Obama eine Rede, die ihn, einen weitgehend unbekannten Bundesstaatensenator aus Illinois, zum ersten Mal in die Schlagzeilen brachte. Auf dem Parteitag der Demokraten in Boston sprach er davon, dass es weder ein progressives noch ein konservatives, weder ein schwarzes noch ein weißes, weder ein Amerika der Latinos noch eines der Asiaten gebe, sondern allein die Vereinigten Staaten von Amerika. Vier Jahre darauf wurde es seine Wahlkampfmaxime, die Leitmelodie auf dem Weg ins Oval Office. 16 Jahre später greift er das Motiv erneut auf, diesmal, um sich für das Fernduell mit Donald Trump zu rüsten.

Die Corona-Krise, sagte der Altpräsident in einer Videobotschaft, via Twitter verbreitet an seine 117 Millionen Follower, diese Krise erinnere daran, dass staatliches Handeln, dass Fakten, die Wissenschaft und die Herrschaft des Rechts sehr wohl eine Rolle spielten. Sie rufe in Erinnerung, dass es darauf ankomme, "Anführer zu haben, die informiert und ehrlich sind und die Menschen zusammenbringen, statt sie auseinanderzudividieren". Vordergründig setzte sich Obama in seinem Homeoffice vor eine Kamera, um Joe Biden, seinen einstigen Stellvertreter, zur Wahl zu empfehlen.

Obama steigt in den Ring

Und um zugleich dessen Rivalen Bernie Sanders als "amerikanisches Original" zu loben, den Senator aus Vermont, der vergleichsweise früh aus dem Kandidatenrennen ausstieg, auch um eine Wiederholung der innerparteilichen Zerreißprobe des Jahres 2016 zu vermeiden. Was mindestens genauso wichtig ist: Mit seiner Zwölf-Minuten-Rede am Dienstag beendete Obama eine Phase, in der er, wenn überhaupt, allenfalls durch die Blume Kritik an seinem Nachfolger im Weißen Haus übte.

Letzteres ist zwar einerseits geboten für amerikanische Präsidenten a. D., die ihren Amtserben nicht ins Handwerk pfuschen sollen. Ungeschriebene Gesetze verlangen dezente Zurückhaltung. George W. Bush etwa hielt sich eisern an die Regel, indem er Obamas Entscheidungen öffentlich nie kommentierte. Der versuchte es bisher, von seltenen Ausnahmen abgesehen, ähnlich zu handhaben. Allerdings hat das beharrliche Schweigen seine Anhänger doch auch ziemlich irritiert. Der Mann, der in den Reihen der Demokraten mehr Autorität genießt als jeder andere Politiker, jede andere Politikerin, erweckte für eine Weile den Eindruck, als schwebe er über den Dingen, während Trump keine Gelegenheit ausließ, um ihm Fehler und Versäumnisse anzukreiden. Er schrieb an seinen Memoiren, plante den Bau seiner Präsidentenbibliothek in Chicago, reiste um die Welt.

Kontrastprogramm zu Trump

An seinen Memoiren schreibt er noch immer, frühestens in diesem Jahr, lässt der Verlag Penguin Random House wissen, sollen sie erscheinen. Doch seit die Seuche grassiert, meldet er sich häufiger mit Tweets zu Wort. Die wiederum lesen sich bisweilen wie das Kontrastprogramm zur Rhetorik eines Präsidenten, der oft nur ein Thema kennt: seine eigene, vermeintlich großartige Leistung, die nur undankbare Gouverneure und böswillige Medienvertreter nicht zu schätzen wüssten. Er wolle sich bei Supermarkt-Angestellten, Paketboten und Busfahrern bedanken, schrieb Obama am 27. März.

Am 9. April folgte ein Dank an die Bürgermeister des Landes, verbunden mit dem Hinweis, dass er sich mit einigen von ihnen gerade gründlich beraten habe. Das Kontrastprogramm.

Aus der Reserve gelockt

Als Obama zögerte, Biden zur Wahl zu empfehlen, weil er Sanders' Ausstieg abwarten und nicht der Einmischung zugunsten eines alten Freundes bezichtigt werden wollte, witterte Trump die Chance, die Demokraten gegeneinander auszuspielen. Tatsächlich vorhandenes Konfliktpotenzial versucht er für sich zu nutzen, wie schon 2016. Es erstaune ihn schon, sagte er bei einer seiner Corona-Pressekonferenzen, dass sich der Ex-Präsident nicht in aller Öffentlichkeit hinter "Sleepy Joe" stelle. "Wann wird es passieren? Warum tut er es nicht? Er weiß etwas, was Sie nicht wissen, wovon ich glaube, dass ich es weiß, aber Sie es nicht wissen." Obama ertrug es mit Fassung, schweigend. Nun hat es den Anschein, als sehne er es geradezu herbei, das Kampagnen-Fernduell gegen Trump. "Wir sehen uns im Wahlkampf!", rief er seinen Fans aus dem Homeoffice zu. "Sobald ich kann." (Frank Herrmann, 15.4.2020)