Julian Casablancas (rechts) und The Strokes: Wer als Erster lacht, hat verloren.

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Die coolsten Hunde sind natürlich die, die sich einen Dreck darum scheren, ob sie nun gerade cool sind oder nicht. Das ist eine Freizeitbeschäftigung für Leute, die sich Sorgen machen. Leute, die sich Sorgen machen, sind nicht cool. Alles ist irgendwie sowieso ... egal. Lass uns lieber Drogen nehmen und die nächste Stunde einfach rauchen und gerade ausschauen.

Das New Yorker Quintett The Strokes war Anfang der Nullerjahre eine heiße Sache. Cool wie Sau. Die Band um Sänger Julian Casablancas lieferte den Beweis dafür, dass nachtschattige, mitunter einfach gestrickte, aber präzise hingeschluderte Rockmusik von The Velvet Underground, The Modern Lovers, Lou Reed, den frühen Talking Heads und Blondie immer Saison haben wird; von den versifften Kellerlokalen der Neuen Welt der 1970er-Jahre herüber bis in die hiesigen Branntweinstuben, in denen man heute "Bussi Baby!" grölt.

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Die Gitarren hacken Achtelnoten und verzahnen sich. Das Schlagzeug marschiert stur und ohne unnötige Breaks und Tschinellentuscher durch. Der Sänger langweilt sich zu Tode. Er versucht, nicht umzufallen.

Mit einer gewissen Scheiß-drauf-Haltung, für die es allerdings auch schon wieder eine gewisse Energie oder zumindest ein aggressives Desinteresse brauchen würde, um sie tatsächlich zu verkörpern, setzten sich The Strokes vor 20 Jahren Sonnenbrillen auf und trugen abgewetzte Lederjacken – und sie stellten schon in jungen Jahren einen fleißig abgelebten Charakter zur Schau. Demonstrativ undemonstrativ über den Mikroständer oder den Gitarren hängend. Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!

2001 rettete ihr Debütalbum Is This It den Indie-Rock vor dem Absaufen im Technoclub oder der Hip-Hop-Hütte. Neben den zeitgleich in Großbritannien den Drogenmissbrauch lebenden The Libertines um Pete Doherty bäumte sich, ein letztes Mal kommerziell enorm erfolgreich, eine aus dem Untergrund kommende Gitarrenmusik auf, die weder in den knapp gehaltenen Songlängen noch bezüglich der Innenausstattung der Lieder viel Aufhebens wegen Dekoration und Zierrat machte.

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Lieder wie Last Nite oder Hard to Explain oder das gallige New York City Cops (das damals in der US-Fassung wegen 9/11 vom Album genommen wurde) waren Instant-Klassiker. Immerhin hatte Hauptsongschreiber Julian Casablancas begriffen, dass Erkennen Wiedererkennen bedeutet und gut gefladert besser ist als schlecht kopiert. Die besagten musikalischen Vorbilder der Strokes wurden jederzeit kenntlich entstellt.

Danach war es vorbei. Es folgten weitere Songs, Touren, Suchtprobleme, Soloprojekte, zwischendurch "ambitionierte" Alben im Zeichen von käsigen Synthesizern und "Rock". Die Alben waren eine Qual.

Nihilistischer Gospel

"I want new friends, but they don’t want me": Nach sieben Jahren Pause haben sich die Strokes nun für ihr sechstes Album, aktuell passend The New Abnormal betitelt, gehörig am eigenen Schopf gepackt. Die Band rockt die alte Hektik ein wenig reifer und langsamer, und Casablancas singt jetzt seine nihilistischen Gospelsongs inklusive Falsett. Die Einflüsse aus den 1980er-Jahren mit ihren Autodrom- und Tagada-Synthesizern aus der Schule der Band The Cars klingen derart gefällig und unambitioniert, dass der ehemalige Lebensüberdruss eines wohlstandsverwahrlosten Jugendlichen jetzt mit 40 Jahren endlich glaubhaft mit dem existenziellen Dauerkater eines heutigen Familienvaters harmoniert.

So schön hätten die Eighties sein können. At the Door ist eine Synthie-Ballade ohne Drums. Für Bad Decisions adaptieren die Strokes Billy Idols Dancing with Myself aus den 1980er-Jahren. Billy Idol. So gelangweilt mit höhnisch gezogenem Mundwinkel wie er konnte niemand seine eigenen Muckis küssen. Billy Idol war nie cool. Das ist cool. Still jetzt. (15. 4. 2020)