Für jemanden wie Donald Trump, der auf Druck und Krisen stets mit harten Gegenangriffen antwortet, ist so ein Virus ein höchst undankbarer Feind: Von Beschimpfungen und in die Welt gesetzten Falschmeldungen völlig unbeeindruckt, wütet es einfach weiter. So muss sich Trump permanent auf die Suche nach neuen Sündenböcken in dieser anhaltenden Corona-Krise machen, die sein Land so besonders hart trifft.

Das erste Opfer waren die oppositionellen Demokraten, die das Coronavirus seinen Worten nach ins Spiel brachten, um dem republikanischen Präsidenten im Wahlkampf politisch zu schaden. Später richtete er seinen Zorn auf China, wo die Pandemie ihren Anfang genommen hatte. Aktuell schießt sich Trump auf die Weltgesundheitsorganisation ein: Der US-Präsident ließ die Beitragszahlungen seines Landes an die WHO einfrieren, der er schwere Versäumnisse im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus zur Last legt. Sein Vorwurf: Die Behörde habe chinesischen Angaben blind vertraut und sich aus "politischer Korrektheit" gegen Reiseverbote ausgesprochen.

US-Präsident Donald Trump macht sich in der anhaltenden Corona-Krise permanent auf die Suche nach neuen Sündenböcken.
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Nicht dass die Handhabung dieser Krise durch die in Genf ansässige Behörde nicht tatsächlich eine Diskussion wert wäre. Die Frage nach ihren Versäumnissen ist ebenso legitim wie jene, ob der Umgang diverser Regierungen mit dieser Krise der richtige war – allen voran der chinesischen, der nicht nur die USA, sondern auch andere Länder aus gutem Grund fehlende Transparenz vorwerfen.

Begrenzte Ressourcen

Trumps Ankündigung entpuppt sich dennoch als durchschaubares Ablenkungsmanöver. Seine Verachtung für die Vereinten Nationen, ihre Behörden sowie für internationale Organisationen und Abkommen im Allgemeinen ist bekannt. Streicht er der UN-Instanz nun aber inmitten dieser beispiellosen Krise den Beitrag der USA, der rund fünf Prozent des WHO-Budgets ausmacht, dann erschwert er ihren Kampf gegen das Virus: Ressourcen und Befugnisse der Behörde sind ohnehin schon begrenzt.

Es ist offensichtlich, dass Trumps jüngste Attacke in erster Linie die Aufmerksamkeit vom Fehlverhalten seiner Regierung ablenken soll. Dieses nämlich ist bereits sehr gut dokumentiert. Recherchen allen voran der "New York Times" belegen, dass der US-Präsident alle frühzeitigen Warnungen vonseiten mehrerer Quellen, darunter seiner Geheimdienste, ignorierte. Nun will er entgegen den dringenden Appellen seiner Beraterinnen und Berater um ihn herum das öffentliche Leben in seinem vom Coronavirus so hart getroffenen Land schon bald wieder hochfahren.

Die Ankündigung zeugt von der Beratungsresistenz und fehlenden Weitsicht des Mannes im Weißen Haus, an dem viele demokratische Gouverneure in der Krise inzwischen vorbeiarbeiten. Sie wollen Trumps Anweisungen nicht Folge leisten, wenn sie damit die Gesundheit der Bevölkerung in ihrem Bundesstaat aufs Spiel setzten. Trump hingegen ist offenbar bereit, zahlreiche Menschenleben zu gefährden, um die Wirtschaft schnellstmöglich wieder anzukurbeln. Bricht diese durch den anhaltenden Stillstand wie prognostiziert ein, gefährdet das seine Popularität – auch unter seiner bislang stets loyalen Wählerschaft.

Einmal mehr zeigt Trump, dass ihm nichts an einer durchdachten Strategie zum Schutz der Bevölkerung liegt, sondern dass er alles einem Ziel unterordnet: der Sicherung seiner Wiederwahl im November. (Anna Giulia Fink, 15.4.2020)