Seit der Coronavirus-Krise fahren deutlich weniger Züge in Österreich, und die sind bisweilen so gut wie leer.

Foto: Der Standard / Matthias Cremer

Wien – Die Staatsbahn ÖBB stellt sich offenbar auf mehreren Gleisen bei der Republik um Staatshilfen an. Den Anfang macht laut STANDARD-Informationen die ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria (RCA). Sie werde aufgrund der massiven Rückgänge im internationalen Schienengüterverkehr Finanzhilfe in der Größenordnung von mindestens 250 Millionen Euro beantragen.

Da dies eine Größenordnung ist, die den pro Unternehmen vorgesehenen Rahmen des 15-Milliarden-Euro-Corona-Hilfsfonds von maximal drei Monatsumsätzen oder 120 Millionen Euro deutlich übersteigt, arbeiten Verkehrs- und Finanzministerium in enger Abstimmung an einer Notverordnung. Das erfuhr DER STANDARD von mit der Materie befassten ÖBB-Insidern. Seitens der ÖBB wollte man den RCA-Finanzbedarf ebenso wenig bestätigen wie die "500 Millionen Euro Minimum", auf die der ÖBB-Finanzbedarf in Regierungskreisen inzwischen taxiert wird.

500 Millionen Euro

Die Verhandlungen seien noch nicht so weit gediehen wie bei der AUA, deren Finanzhilfe ebenfalls direkt mit dem Finanzministerium verhandelt würde, heißt es. Der Umsatzentfall der Vormonate sei jedenfalls nicht aussagekräftig, zu massiv sei der Rückgang der Transporte in Branchen wie Automotive, Stahl und Rohstoffen, skizzierte ein ÖBB-Sprecher die Lage. Im Finanzministerium gab es zum Thema ÖBB-Finanzhilfen keine Stellungnahme.

Es fährt ein Zug nach Laa an der Thaya – und ins Finanzministerium um Millionen an Staatshilfe für die Staatsbahn ÖBB.
Fotos: STANDARD / Matthias Cremer

Die zweite Schiene an Hilfsgeldern betrifft den ÖBB-Personenverkehr, der unter dramatischen Rückgängen der Fahrgastzahlen leidet. Und zwar auf drei Ebenen: im Personennah- und Regionalverkehr mit Zügen und Omnibussen, im eigenwirtschaftlich zu betreibenden Fernverkehr (national wie international) sowie im internationalen Nachtzugverkehr.

Massiver Fahrgastschwund

In allen drei Kategorien verzeichnete die ÖBB noch nie dagewesene Einbrüche, wobei weder absehbar noch kalkulierbar sei, wie lang diese Ausfälle anhalten, wie ein Sprecher betonte. Allein beim ÖBB-Postbus seien seit der Schließung der Schulen im März mehr als ein Drittel der Verkehre weggefallen. Wie hoch der daraus resultierende Umsatzentfall letztendlich ausfallen wird, sei noch nicht zu beziffern; Gleiches gelte für die Pendlerzüge. Fest steht hingegen, dass aus den Verkehrsdienstverträgen (VDV) mit dem Bund und den Bundesländern kein Geld fließen wird, denn die Auszahlung der vom Staat bestellten Linienverkehre ist laut dem im Vorjahr für ein Jahr abgeschlossenen VDV an die Erbringung von Leistung gekoppelt. Fährt kein Zug, gibt’s kein Geld.

Gemeinsam mit Westbahn

Deutlich konkreter scheinen die Verluste aufgrund der Einbrüche auf der Weststrecke zwischen Wien und Salzburg. Hier hauen sich ÖBB-Personenverkehr und Konkurrent Westbahn auf gut Wienerisch auf ein Packel, um die Krise zu stemmen. Die bisherigen erbitterten Widersacher wollen den Taktverkehr während der Coronavirus-Krise gemeinsam bestreiten. Jeder Betreiber fährt im Zweistundentakt, akzeptiert die Tickets des Mitbewerbers, und für die Fahrgäste ergibt dies einen Ein-Stunden-Takt zwischen der Bundeshauptstadt und Salzburg.

Ziehen in der Krise notgedrungen an einem Strang: Westbahn und ÖBB-Personenverkehr.
Foto: Westbahn / Hans Leitner

Der Trick dahinter: Gemeinsam fahren ÖBB und Westbahn nicht um die Wette in der Verlustzone, sondern sie minimieren ihre Ausfälle und somit den Zuschussbedarf. Beim Einnahmenentfall ist die Westbahn freilich zackiger, sie taxiert ihren Ausfall dem Vernehmen nach mit rund 16 Euro pro Kilometer und kommt so auf gut sieben Millionen Euro an Ausfall. Die ÖBB hingegen hält sich bei den Kosten pro Zugkilometer bedeckt – wohl auch, um ihre beträchtlichen Overheadkosten nicht offenlegen zu müssen. Bei Vorlage der Bilanz am Freitag werde man vielleicht mehr wissen, heißt es.

Nur Angestellte in Kurzarbeit

Bleibt als dritte Schiene der Staatshilfe die Kurzarbeit. Sie ist, wie berichtet, für rund 10.000 Eisenbahner vorgesehen. In der Praxis bedeutet das freilich, dass nur nach 1994 eingestellte ÖBBler zum Handkuss kommen, was Güter- und Personenverkehr zupasskommt. Denn der Großteil der rund 18.600, teureren Alteisenbahner, die sogenannten AVB-Bediensteten, wurden sukzessive in die staatlich finanzierte ÖBB-Infrastruktur verschoben. Für sie hat sich der Konzernbetriebsrat auf die Schienen geworfen: Ihre Bezüge dürften, weil bei der ÖBB-Reform 2004 über eine "Wahrungsklausel" staatlich garantiert, keinesfalls gekürzt werden, so der Standpunkt der Belegschaftsvertretung, die vom ÖBB-Management zähneknirschend akzeptiert wurde.

Namhafte Arbeitsrechtsexperten, die nicht genannt werden wollen, kritisieren das als "Sünden der Vergangenheit, die bis heute nachwirken". Alteisenbahner seien keine Beamte, deren Bezüge nicht gekürzt werden dürften. Für sie gelten lediglich die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB), also die Vertragsschablone des Bundes, die Bestandteil jedes Arbeitsvertrags wurde. Auch im Hinblick auf die Solidarität innerhalb der Belegschaft sei die Position der Belegschaftsvertreter fragwürdig. (Luise Ungerboeck, 16.4.2020)