Die ersten zwölf minderjährigen Flüchtlinge aus griechischen lagern warten in Athen auf ihren Abflug nach Luxemburg.

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Wien – Die Notsituation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln geht in der Coronavirus-Krise fast unter – obwohl die befürchtete Verbreitung des Erregers die Probleme weiter massiv verschärft.

"Aber immerhin hört die Debatte über die nötige Evakuierung der Insellager in den Medien und unter Politikern in der EU nicht auf. Solange das der Fall ist, ist die Hoffnung auf eine humanitäre Lösung nicht tot", sagt der Mitinitiator des inzwischen ausgelaufenen EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens, Gerald Knaus, im Gespräch mit dem sTANDARD.

Elf Staaten machen mit

Tatsächlich markierte der Mittwoch aber möglicherweise sogar den Beginn einer Wende in der verzweifelten Situation: Zwölf aus Afghanistan und Syrien stammende unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus den Lagern der Inseln Lesbos, Chios und Samos wurden aus Athen nach Luxemburg geflogen. Der kleine Staat ist das erste von insgesamt elf europäischen Ländern, die sich bereiterklärt haben, unbegleitete Minderjährige und kranke Kinder aus den Lagern aufzunehmen.

Außer Luxemburg beteiligen sich Deutschland, die Schweiz, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Finnland, Irland, Portugal sowie Litauen an der Rettungsaktion. Nach Angaben der Europäischen Kommission sollen rund 1600 Kinder von den Ägäis-Inseln umgesiedelt werden. Der nächste Transport mit 58 jungen Flüchtlingen ist am Samstag nach Deutschland geplant.

Deutschland will bis zu 500 Minderjährige aufnehmen

Deutschland will zwischen 350 und 500 junge Flüchtlinge einreisen lassen – und dabei einen Schwerpunkt auf Mädchen, unter 14-Jährige sowie kranke Kinder legen, heißt es aus dem Bundesinnenministerium in Berlin.

Die Auswahl geeigneter Minderjähriger in Griechenland gestaltet sich dem Vernehmen nach jedoch kompliziert – in der Coronavirus-Krise noch mehr als davor. So gingen dem ersten Flug am Samstag wochenlange Vorbereitungen voran. Die Behörden in Athen und die beteiligten UN-Organisationen hatten offenbar einige Mühe, valide Informationen über die Kinder zusammenzutragen.

Herkunft der Kinder klären

Unter anderem soll deren Herkunft genau geklärt werden. Auch die Frage, ob sie womöglich Verwandte in einem anderen EU-Staat haben, spielt bei der Auswahl eine Rolle.

Österreich ist bei der Evakuierung Minderjähriger aus Griechenland nicht mit dabei, in der türkisgrünen Bundesregierung schließt die ÖVP ein Mitmachen dezidiert aus. Innerkoalitionär gebe es zu dem Thema aber fortgesetzt Gespräche, sagte die grüne Vizeklubobfrau Ewa Dziedzic am Mittwoch.

Knaus urgiert auch Sachleistungen

Auch abseits der Flüchtlingsaufnahme gebe es für Österreich aber Möglichkeiten, den Flüchtlingen in Griechenland zu helfen, meint dazu Migrationsexperte Knaus. Etwa mittels Sachleistungen: Neben dem bereits beschlossenen Zurverfügungstellen von 18 Containern durch das Innenministerium könnte Österreich etwa "mehrere Hundert Hotelzimmer auf dem griechischen Festland als Unterkunft für Flüchtlinge von den Inseln anmieten", schlägt Knaus vor. Um mitzuhelfen, die Insellager zu leeren, in deren Enge sich das Coronavirus schlagartig verbreiten könnte.

Bei der Tiroler Vernetzungsplattform zum Thema Flucht "So sind wir nicht" will Johanna Hackl-Soldan dennoch vor allem Druck aufbauen, um die Regierung zum Einlenken in der Flüchtlingsaufnahmefrage zu bewegen. In einem offenen Brief an Kanzler und Vizekanzler weist die Initiative – eine von inzwischen mehreren – auf bestehende Unterbringungskapazitäten im Land hin. (Irene Brickner, 16.4.2020)