Emojis haben uns das Schreiben sehr erleichtert. Eine gelbe Kugel mit Gesichtsausdruck ersetzt ganze Sätze. Das geht blitzschnell und hat den Vorteil, dass man sich mit seiner Gefühlswelt nicht allzu intensiv auseinandersetzen muss. Obwohl, so ein Vorteil ist das gar nicht – gerade in Krisen wird uns manchmal bewusst, wie am Sand wir mit den Nerven sind. Und wir kommen oft auch gar nicht drauf, was eigentlich falsch rennt und uns fertigmacht.

Schreiben ist nicht nur eine Art, dafür zu sorgen, beim Einkaufen nichts zu vergessen und sich ein Telefonat zu ersparen. Es kann auch gut fürs Seelenheil sein – wenn man es richtig angeht.
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Da könnte Schreiben eine Lösung sein. Nein, kein Buch, keinen Aufsatz, nichts für die Öffentlichkeit, sondern nur für sich selbst. "Schreiben ist oft sinnvoll bei Menschen, die sich schwertun, Gefühle auszudrücken, diese zuzulassen oder Emotionen verbal, akustisch zu beschreiben", sagt Ferdinand Wolf, Klinischer Psychologe und Lehrtherapeut für Systemische Familientherapie. "Für schüchterne Menschen ist es oft die einzige Möglichkeit, ihre Stimmungen auszudrücken, und bei Männern ins gesamt ist es interessanterweise ähnlich, da diese eher dazu neigen, Gefühle im Gespräch hintanzuhalten, weil dies oft als Schwächezeichen angesehen wird."

Keine Ausreden

Am besten ist, man zelebriert das Schreiben, nimmt ein Blatt Papier, im Idealfall eine Füllfeder, setzt sich hin und fängt an, irgendetwas zu schreiben. Dass man damit beginnt, festzuhalten, was man sieht oder was einem gerade durch den Kopf geht, gilt genauso, wie ein Erlebnis zu erzählen – ganz egal, wie unbedeutend es eigentlich war. Denn vielleicht stellt sich heraus, dass es sogar sehr bedeutend war. "Man sollte sich dabei jeden Freiraum lassen", ist Ferdinand Wolf überzeugt. Er meint, es solle nur zu schreiben beginnen, wer wirklich Lust dazu habe. Das soll jetzt aber kein Freibrief für Ausreden sein, denn natürlich ist es leichter, nicht zu schreiben und sich seinen eigenen Gedanken nicht zu öffnen, als sich mit sich selbst zu beschäftigen.

Ferdinand Wolf ist Klinischer Psychologe und Lehrtherapeut für Systemische Familientherapie
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"Bei schambehafteten Themen kann das Schreiben eine Sprachbarriere öffnen und dadurch entlastend wirken", weiß Ferdinand Wolf aus seiner Berufspraxis. "Schreiben bedeutet Entschleunigung, Achtsamkeit und ein Innehalten. Gedanken und Ideen werden geordnet. Sie können einen Ausgangspunkt für neue Sichtweisen und Erkenntnisse darstellen, die auch durch die Verschriftlichung in späteren Phasen jederzeit abrufbar sind."

Obwohl es auch sinnvoll sein kann, das fertige Werk in Form eines Rituals zu vernichten. "Ich hatte Klienten, die unter Zwangsgedanken und damit unter Schlaflosigkeit litten. Die haben die Zwangsgedanken an mehreren Abenden hintereinander aufgeschrieben, die Zettel in einer Schachtel gesammelt und dann verbrannt. Das hatte eine befreiende Wirkung", erzählt Ferdinand Wolf.

Ehrlich zu sich selbst sein

Es ist folglich wichtig, dass man ganz bewusst nur für sich selbst schreibt. Andernfalls würde man wohl davor zurückschrecken, Gedanken festzuhalten, von denen man nicht möchte, dass sie andere kennen – der Partner etwa. Über alles andere hat man vermutlich ja schon gesprochen – während man sich schreibend erst einmal selbst die Gedanken ordnet.

"Schreiben ist eine Möglichkeit zur Entlastung von bedrückenden Gedanken. Es vermag Klarheit bei Entscheidungen herbeizuführen, wenn etwas visualisiert vor einem liegt", ist Ferdinand Wolf überzeugt. "Wichtig ist, sich selbst Zeit und Raum dafür zur Verfügung zu stellen, um ein wirklich kreatives Erleben seiner selbst zu ermöglichen."

Jenen die sich noch immer davor scheuen, rät er zu überlegen, wie viel jeder ohnedies jeden Tag schreibt. Mails, Einkaufslisten, Kurznachrichten. Außerdem hat man bei dieser Form des Schreibens alle Freiheit. Sätze müssen nicht vollständig sein, Rechtschreibfehler haben keine Bedeutung, nicht einmal Lesbarkeit ist ein Thema. Ferdinand Wolf gefällt die Idee zwar, mit der Hand zu schreiben, hält es aber nicht für entscheidend. "Ich denke, für die Millennials ist der Computer das Medium, mit dem Gedanken niedergeschrieben werden." Auch diesbezüglich hat man also jede Freiheit.

Autorinnen und Autoren

Die größte Hürde liegt wohl darin, erst einmal anzufangen. Erfolgreiche Autoren nach guten Tipps fürs Anfangen zu schreiben zu fragen endete in einer Sackgasse. Der eine – sie wollen an dieser Stelle nicht genannt werden – erzählte von seinen eigenen Schreibblockaden, die andere hielt das Thema als Ganzes für eine Schnapsidee, wieder ein anderer meinte, die Leute sollen bitte nicht schreiben, sondern lieber lesen. Wer wirklich schreiben lernen will, wird um die Werke von Wolf Schneider nicht herumkommen. Gemeint war vom Autor aber Literatur. Denn nur wer belesen sei, könne auch gut schreiben. Dass in diesem Fall die Qualität der Texte nicht zähle, lief bei allen Professionisten ins Leere.

Ganz alleine wollen wir Sie mit der Mammutaufgabe, die ersten Buchstaben niederzuschreiben, aber nicht lassen und bieten Ihnen daher ein paar Arbeitstitel an, die den Start erleichtern können. Klar, Themenverfehlungen sind erlaubt. Emojis auch. Aber übertreiben Sie es damit bitte nicht. ;-) (Guido Gluschitsch, 16.4.2020)