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Bei Betreten eines Geschäfts werden Menschen mit Desinfektionsmitteln eingesprüht.

Foto: Reuters/Goga

Seit dem Beginn der Covid-19-Krise werden in Albanien die Bürgerrechte stark eingeschränkt und drakonische Strafen angedroht und auch verhängt. Am Dienstag hat das Parlament nun sogar Strafrechtsänderungen abgesegnet. Jemand, der die Ausgangssperren nicht befolgt, muss nun – offenbar nach serbischem Vorbild – mit drei Jahren Haft rechnen. Jemand, der die Präventionsmaßnahmen gegen Infektionskrankheiten nicht einhält und damit ein hohes Risiko für die Gesundheit eingeht, kann mit zwei bis zehn Jahren Haft bestraft werden kann.

Jemand, der einen anderen infiziert, der daraufhin stirbt, kann sogar bis zu 15 Jahre ins Gefängnis gehen. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen haben gegen diese Strafrechtsänderungen protestiert. Auch die Verwaltungsstrafen waren bereits saftig. Und die Leute beginnen andere zu denunzieren, so wie dies früher während der kommunistischen Diktatur der Fall war, als zahlreiche Albaner für den brutalen Geheimdienst Sigurimi arbeiteten.

Verlust des Führerscheins

Der Ausnahmezustand wurde in dem kleinen südosteuropäischen Land nach dem Erdbeben im November einfach verlängert. Damit können Leute überwacht werden, ohne, dass es dazu der Erlaubnis der Staatsanwaltschaft bedarf. Albanische Handynutzer bekamen zudem eine Nachricht von Premier Edi Rama, die man nicht ausschalten konnte und mit der er die Bürger aufforderte, zu Hause zu bleiben und sich "vor den Medien" zu schützen. Erst vor einigen Monaten wurde in Albanien ein umstrittenes Mediengesetz erlassen, das eine neue Behörde ermächtigt, gegen Onlinemedien vorzugehen.

Auch die Ausgangssperren dauern lange, nämlich bis zu 72 Stunden. Leute, die trotzdem Auto fahren, müssen damit rechnen, drei Jahre lang ihren Führerschein zu verlieren. Etwa 40 Personen wurde der Polizei zufolge der Führerschein bereits weggenommen. Laut Medien erwägt die Polizei sogar, die Bürger mit Drohnen zu überwachen.

Ausgangssperren auch in Kosovo, Bosnien und Montenegro

Auch Nordmazedonien hat strikte Ausgangssperren erlassen – sie erstrecken sich von 21 Uhr über die ganze Nacht. Auch am Wochenende darf von 17 Uhr bis Montag, 5 Uhr niemand raus. Ausgangssperren gibt es auch im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, in Montenegro und in der Republik Moldau – aber die gelten nur für die Nachtstunden.

In Bosnien-Herzegowina scheinen mitunter Schildbürger am Werke zu sein. So dürfen Personen unter 18 Jahren im Landesteil Föderation seit Wochen nicht in die Öffentlichkeit, nicht einmal auf Spielplätze. Viele Familien sind bereits zermürbt. Erlaubt ist es allerdings, dass man die Kinder im Auto mitnimmt und ins Grüne fährt. Dort dürften die Kinder dann aber eigentlich nicht aussteigen. Deswegen fahren viele Eltern mit ihren Kindern in den Landesteil Republika Srpska, wo die Kinder rauslaufen dürfen. Allerdings gelten dort wiederum die strikten Ausgangssperren für die Wochenenden – genauso wie in Serbien. Der Herzegowina-Neretva-Kanton wurde überhaupt unter Quarantäne gestellt, damit die Leute nicht ans Meer fahren.

Migranten müssen in Aufnahmezentren bleiben

Auch für die Migranten gibt es Ausgangssperren. Sie sollen sich überhaupt nur mehr in den Aufnahmezentren aufhalten. Tatsächlich sind in Sarajevo weniger Migranten im öffentlichen Raum zu sehen. Mittlerweile hat Bosnien-Herzegowina auch ein Abkommen mit der EU unterschrieben, das es ermöglicht, dass sich das Land für die Bewältigung der Covid-19-Krise ganz gleich wie die EU-Staaten an der Beschaffung von EU-Medizinprodukten beteiligt. In Bosnien-Herzegowina fehlt es – wie überall auf dem Balkan – an Beatmungs- und Überwachungsgeräten in den Spitälern. Auffällig ist auch die Verwirrung, die herrscht. Viele Menschen befolgen zwar die Anweisungen, verstehen aber nicht, weshalb diese notwendig sind, weil ihnen zu wenig über das Virus erzählt wurde.

Gerade weil die Bürger so wenig aufgeklärt werden, fallen in all der Verunsicherung Verschwörungstheorien und Fake-News auf fruchtbaren Boden. Verbreitet wurden sie nicht nur in den sozialen, sondern auch in lokalen Medien. So wurden zwei Interviews mit den deutschen Ärzten Claus Köhnlein und Wolfgang Wodarg ins Serbische übersetzt, die einerseits die Gefährlichkeit des Virus herunterspielen und andererseits die Maßnahmen als Panikmache abtun. Insbesondere das Wodarg-Video wurde über viele Kanäle in Serbien verbreitet, das Portal "Srbija Danas" fasste sogar die Videos der beiden Ärzte zusammen. Verbreitung fand es auf dem Balkan auch durch Anti-Impf-Gruppen. (Adelheid Wölfl, 16.4.2020)