Vermutlich eine der süßesten, jedenfalls analogen Fake-News über Covid-19: Eine Konditorei in Dresden verkauft bunte Rumkugeln mit weißer Schokolade als "Corona-Antiviren".

Foto: APA/Sebastian Kahnert

Welche Plattformen verbreiten Falschinformationen zum Thema Covid-19? Welche Fehlinformationen sind das, und wie gefährlich sind sie? Wie kann man gegen Fake-News zum Thema Covid-19 vorgehen? Vier Forscher am Reuters Institute for the Study of Journalism an der University of Oxford haben Anfang April eine Studie veröffentlicht, in der sie sich diesen Fragen widmen. Mit beunruhigenden Ergebnissen – und solchen, die Grund zur Hoffnung geben.

Die schlechte Nachricht zuerst: 20 Prozent der untersuchten Falschinformationen stammen von Politikern, Prominenten und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, also Personen mit großer Reichweite, und diese generieren 69 Prozent des Engagements auf Social-Media-Plattformen. Menschen, die auf die eine oder andere Art im Rampenlicht stehen, tragen also wesentlich zur Verbreitung von falschen Informationen über Covid-19 bei. Die Inhalte der Meldungen sind zu gut 40 Prozent Falschmeldungen über Institutionen wie die Uno oder die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Allerdings ist die Anzahl der reinen Falschmeldungen, also Posts oder Artikel, die komplett erfunden sind, mit 38 Prozent relativ gering. Meist werden gewisse Aspekte des Themas ohne Kontext oder verdreht dargestellt.

Die Gegenmaßnahmen haben nach Erkenntnissen der Studie massiv zugenommen: Zwischen Jänner und März 2020 stellten die Forscher 900 Prozent mehr englischsprachige Fact-Checks fest.

Recycelte Falschinformationen

Ein Projekt zum Thema Fact-Checking im englischsprachigen Raum kommt von Meedan, einer Non-Profit-Organisation, die daran arbeitet, die Qualität von Onlineinformationen zu verbessern. Scott Hale, Leiter der Forschungsabteilung von Meedan und Senior Research Fellow am Oxford Internet Institute, hätte Anfang April am International Journalism Festival in Perugia zum Thema Covid-19 und Fact-Checking einen Workshop gehalten. Meedan arbeitet gerade an einer von Experten unterstützen Datenbank, in der Informationen zu der neuartigen Lungenkrankheit gesammelt werden. Zusätzlich bauen sie auch ihre Softwareplattform Check aus, die es einfacher machen soll, Informationen zu organisieren und Fact-Checking kollaborativ zu betreiben.

Hale sieht für solche Angebote enormen Bedarf, gerade in Zeiten von Pandemien. "Falschinformationen können recycelt und wiederverwendet werden. Deswegen sind Initiativen wie First Draft nützlich." First Draft ist ein Projekt des Google News Labs, das sich dem Kampf gegen Falschinformationen verschrieben hat. Hale: "Gerade jetzt, wo Experten viel zu tun haben und nicht immer leicht zu erreichen sind, braucht es verlässliche Quellen, auf die sich Journalisten bei ihrer Arbeit stützen können."

Falschinformationen im Gesundheitsbereich

Journalisten brauchen Unterstützung, gerade wenn sie Falschinformationen über Covid-19 gegenchecken – nur sehr wenige von ihnen sind medizinische Experten, hebt Nat Gyenes hervor. Sie ist Forscherin am Berkman Klein Center der Harvard University und führt das Digital Health Lab von Meedan. In dieser Funktion wollte auch sie am International Journalism Festival in Perugia teilnehmen. "Es ist wichtig, dass Journalisten medizinische Experten konsultieren, wenn sie Falschinformationen über Covid-19 recherchieren."

Zusammen mit An Xiao Mina, ebenfalls Forscherin am Berkman Klein Center, hat Gyenes 2018 einen Begriff eingeführt, der Falschinformationen im medizinischen Bereich beschreibt: Misinfodemics. Mit diesem werden Falschinformationen im Gesundheitsbereich beschrieben, die oft mit einer Krisensituation einhergehen, so – neben Informationen zu Covid-19 – auch solche über Masern oder Ebola.

"Es ist nicht möglich, jede Information, die zu einer Krankheit veröffentlicht wird, auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen," sagt Gyenes. "Stattdessen müssen wir uns beim Fact-Checking auf jene Inhalte konzentrieren, die die meiste Reichweite und den meisten Einfluss haben. Die Priorität muss auf jenen Inhalten liegen, die sich am schnellsten und weitesten verbreiten."

Journalismus in Zeiten von Covid-19

"Wenn man beim Checken von möglichen Falschinformationen einen Fehler macht, dann kann das mitunter gefährlicher sein als die ursprünglich falsche Information," gibt Hall zu bedenken. Genaues, faktenbasiertes Arbeiten und das Einholen von Expertenmeinungen seien im Kampf gegen Falschinformationen in Zeiten von Covid-19 wichtig. Deswegen arbeitet Meedan an jeder Plattform, um die Arbeit von Journalisten einfacher zu machen.

Was die Pandemie für die Zukunft des Journalismus bedeutet? Eine Prognose dafür kann Hall nicht geben, er sei kein Experte. "Covid-19 zeigt uns, wie wichtig Journalismus ist. Deswegen hoffe ich, dass es mehr Geld für Qualitätsjournalismus geben wird, sobald die Pandemie überstanden ist." (Astrid Eisenprobst, 17.4.2020)