Helga Nowotny: "Wer, wenn nicht die Wissenschaft, soll Antworten geben?"
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Wien – Immerhin ein paar positive Dinge hat die Corona-Krise zwar nicht bewirkt, aber ans Licht gebracht. Etwa dass es in der Gesellschaft einen hohen Grad an Solidarität gibt, wie die vielen Initiativen zur Nachbarschaftshilfe zeigen. Auf einen anderen Umstand weist nun die Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny hin: nämlich dass es "eine Art Grundvertrauen in die Wissenschaft" gebe. In Zeiten grassierender Fake-News und Wissenschaftsfeindlichkeit waren daran schon Zweifel aufgekommen.

Der "Corona-Effekt"

"Wenn die Not groß ist, weiß man, wohin man sich wenden muss. Jetzt ist die Not groß und wer, wenn nicht die Wissenschaft, soll Antworten geben?", so die Forscherin und frühere Präsidentin des Europäischen Forschungsrates (ERC). Auch wenn es weiter der Politik obliegt, Maßnahmen zu verhängen und Regeln zu erlassen, steckt dahinter gerade spürbar viel Arbeit von Experten aus unterschiedlichsten Fachgebieten.

Im April vor drei Jahren war die wissenschaftliche Community zum weltweiten "March for Science" auf die Straße gegangen, um öffentlichkeitswirksam gegen die wachsende oder sich zumindest lautstark äußernde Wissenschaftsskepsis aufzutreten. Der "Corona-Effekt" sei nun aber deutlich größer und zeige, dass sehr wohl noch immer ein Grundvertrauen besteht. Dieses sei offenbar durch "die populistischen Anschuldigungen" – allen voran von US-Präsident Donald Trump – eher verschüttet denn wirklich zerstört worden.

Mehr Interdisziplinarität notwendig

Die Krise hat auch gezeigt, dass man nicht sehr weit kommt, wenn man nur Virologen oder Epidemiologen beisammen hat. Es braucht zusätzlich die Modellierer aus der Komplexitätsforschung und ebenso die Sozialwissenschaften. Das ist schon ein Umdenken, das hoffentlich bleiben wird," so Nowotny. "Wir brauchen mehr gelebte Interdisziplinarität."

Nicht zuletzt zeige die Coronakrise die zentrale Rolle der rein ideen- und neugierdegeleiteten Grundlagenforschung auf. Wenn jetzt alle nach einem schnell verfügbaren Impfstoff fragen, dann ist eine derart rasche Neuentwicklung ohne die Grundlagenarbeit der vergangenen Jahrzehnte undenkbar. Das Virus gibt uns noch viele Rätsel auf, die Pionierarbeit verlangen, bei der eben nicht immer klar gesagt werden kann, welche Erkenntnisse zu erwarten sind. Das sei auch eine Art Rückversicherung für den Umgang mit unvorhersehbaren Entwicklungen aller Art. "Letztendlich kommt uns das eindeutig zugute. Wir brauchen die Grundlagenforschung, denn es wird auch eine nächste Krise kommen. Wir wissen nur nicht wann und wo", sagte Nowotny. (red, APA, 16. 4. 2020)