Eine der unmittelbar krisenhaften Folgen der Krise wartet jeden Morgen vor dem Spiegel oder, Stichwort Wagemut, auf der Waage. Schließlich ist man permanent versucht, den psychischen Druck des Bunkerdaseins einfach runterzuschlucken und wegzuspülen. Regelmäßige und reichhaltige Mahlzeiten helfen dabei ebenso wie ganz gelegentliche Verzweiflungsachterl, Hausmannströster und zwischengeschobene Würzbissen.

Und in so einer, für die Welt und das Idealgewicht dramatischen Situation fällt dem Steirereck nichts Besseres ein, als täglich frisch aus dem Ofen gezogene Milirahmstrudel, aber auch Schoko-Tartelettes mit Salz-Butter-Karamell, Mohn-Gugelhupfe und anderes Hüftgold mittels Hausbesuchs an die mit Quarantäne-Munchies darniederliegende Kundschaft auszuliefern.

Offiziell sind die süßen Steirereck-Gemeinheiten nur ein Drüberstreuer zu den in Gläsern verpackten Salaten, Suppen und Schmorgerichten, auf deren Fertigung sich die glorreichste Küche Mitteleuropas während der Zwangspause verlegt hat. De facto aber sind sie halt so gut, dass Verzicht einem ganz objektiv wie pure Unvernunft vorkommen muss. Außerdem gilt es, auf die 35 Euro Mindestbestellsumme im Steirereck-Webshop zu kommen – beziehungsweise die fünf Euro Zustellgebühr so umwegrentabel wie möglich anzulegen.

Küche sauber halten, altmodisch gut essen: Das Steirereck liefert Essen in Gläsern aus, das schmeckt, als hätte es die ideale Großmama gekocht.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Hauptrolle im krisenbedingt (und, hoffentlich, darüber hinaus) erweiterten Steirereck-Webshop spielen natürlich die salzigen Gläser zum Aufwärmen daheim. Wobei: Spargelsalat mit gehacktem Entenei, Wiesenkerbel und Cocktailtomaten (echt jetzt?) kann man sich gleich so auf zwei Teller schaufeln. Wird man nicht bereuen – die anämischen Glashaus-Bemerln lassen sich ja diskret zur Seite räumen. Pilzbeuschel, längst ein süßsaurer Veggie-Klassiker der Steirereck-Küche, schmeckt um nix weniger großartig als im Stadtpark. Nur den Brot-Andi muss man sich in Zeiten wie diesen halt selber machen.

Pikantes Gulasch vom Waller (große, zart blätternde Stücke in mild scharfem Saftl mit Paprika und knackigen Wurzeln) bekommt, siehe Bild, einen Schöpfer gedünsteten Kamut-Weizen mit ins Glas gepackt, da erübrigt sich die Beilagenkocherei auch gleich, sehr aufmerksam. Zwiebelfleisch vom Osterlamm betört mit prachtvoll definiertem Lamperl-Aroma (nix für die Edelteil-Abonnement-Fraktion!) in einer himmlisch milden und doch würzigen Melange aus Majoran, Essiggurkerl, süß geschmorter Zwiebel – eine Essenz aus Alpen und Balkan, Böhmen und Görz: So muss Mitteleuropa schmecken.

Pikantes Gulasch vom Waller mit Kamutweizen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Hyperregional südostasiatisch

Paprikahendl wird, wie es Feinschmecker mit Zweisterngaumen erwarten, als ganzer Hendlbiegel mit Haut und Knochen ins Glas gepackt (ah, die Freuden der Textur!), bezwingt aber nicht nur durch überragende Fleischqualität, sondern mindestens ebenso durch das Saftl: Im Grunde ganz konservativ papriziert, dank Zugabe von hyperregional wienerischen Kaffir-Limetten-Blättern aus der Schönbrunner Orangerie aber mit einem Aroma aufgeladen, das einen geradewegs ins Südostasiatische transponiert. Geht tadellos zu Hörnchen, Reis wäre (Notiz an den Heimkoch) in dem Fall aber fast noch besser gewesen.

Dass Heinz Reitbauer uns jetzt mit vertraut anmutenden (aber niemals an heimattümelnde Reaktion appellierenden) Gerichten umschmeichelt, zeigt sein Mitgefühl für unser Sehnen nach sicheren Werten in unsicheren Zeiten. Dass er seine Brigade dafür auf nominell einfache Schmorgerichte eingeschworen hat, zeugt von seinem Wissen um die rapide Halbwertzeit transportierten Essens: Wenn schon Gerichte ausgefahren werden müssen, dann bitte keine Kreationen. Sondern solche, die durchs Aufwärmen im Zweifel nur besser werden. Danke. (Severin Corti, 17.4.2020)

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