Saxofonist der kühlen Intensität – Lee Konitz

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Das Altsaxofon hat im Jazz einige Innovationen angestoßen. Bei Ornette Coleman wurde es zum einflussreichen Zentrum einer Poesie des organisierten freien Spiels. In den Händen von Genie Charlie Parker begründete es zuvor die Jazzmoderne. Eine hitzige, an die Grenzen des Nervenzerfetzenden getriebene lineare Improvisationskunst eröffnete mit Hilfe des Altsaxofons neue Dimensionen der harmonischen und melodischen Art.

Diese stilistischen Manifestationen fanden sich auch im Spiel von Lee Konitz verarbeitet. Seinen Improvisationen, man höre etwa "Motion" aus 1960, waren durchaus mit schnittigen Sechzehntelketten ausgestaltet. Konitz jedoch setzte dem hoch energetischen Bebop-Dauerstress den samtigen Sound abstrakter Nachdenklichkeit entgegen.

Klar und vibratolos

Natürlich war bei dem, was schließlich Cool Jazz genannt werden sollte, auch das Musikambiente speziell. Es herrschte ein kontrapunktischer Zugang zu Arrangements, in denen instrumentale, vibratolos servierte Linien zum individuellen Teil einer Gesamtarchitektur gerieten. Dies ließ sich auch bei Konitz‘ – etwa bei der Aufnahme "Duets" – studieren. Das Zweigespräch mit Tenorsaxofonist Joe Henderson etwa vermittelt die Essenz dieses auf Klarheit angelegten Stils.

Konitz war schon früh im Energiefeld des Eigenwilligen und Innovativen gelandet. Er nahm am Miles-Davis-Projekt "Birth of the Cool" teil. Und vor allem seine Arbeit mit dem Klavierintellektuellen Lennie Tristano wirkte prägend, wobei Konitz ein wenig allergisch auf das Wort cool war. Er ortet darin den Vorwurf, sein Spiel wäre frei von Leidenschaft. Dies war natürlich weit weg vom Tatsächlichen.

Die zurückgelehnt daherschwebenden musikalischen Gesten hüllten ihre Intensität in Noblesse und Präzision, in lakonische Aphorismen, die ohne Schnörkel und expressive Posen auskamen.

Raffiniert uneindeutig

Im Laufe der Jahrzehnte, Konitz wurde 1927 in Chicago geboren, wurde sein Spiel noch reduktionistischer. Als minimalistischer Improvisator zelebrierte Konitz eine Atmosphäre raffinierter Uneindeutigkeit, die das Selbstverständliche, das Klischeehafte, umschiffte und Spontaneität als Kunst der Verknappung präsentiert.

Lee Konitz starb im Alter von 92 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus an den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus. (Ljubisa Tosic,16.4.,2020)