Die unvollständigen SMS waren Teil einer Info-Offensive für Migranten gegen die Verbreitung von Falschnachrichten, die Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) in Auftrag gegeben hatte.

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Die Regierung setzt in der Corona-Krise auf die Bevölkerung: Umfassende Informationskampagnen inklusive des "digitalen Krisenstabs" im Kampf gegen Falschnachrichten sollen dafür sorgen, dass die vielfachen Einschränkungen mitgetragen werden. Umso erstaunlicher ist eine Informationskampagne des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) für Migranten, die nur unvollständig informiert. In einer Massen-SMS vom 8. April an Teilnehmer von Werte- und Deutschkursen sowie Beratungen, die dem STANDARD vorliegt, wies der ÖIF auf nur drei von fünf gesetzlich geregelten Anlässen hin, die es erlauben, das Haus zu verlassen: um zu arbeiten, für dringende Einkäufe oder um zum Arzt zu gehen. "Bei Verstößen drohen hohe Strafen!", heißt es in der SMS weiter.

Verschwiegen wird aber, was in der Verordnung des Gesundheitsministeriums ausdrücklich erlaubt ist: Öffentliche Orte dürfen auch allein oder mit Personen aus dem gleichen Haushalt aufgesucht werden. Dürfen Migranten also nicht auch hinaus, um "frische Luft zu schnappen, wenn einem die Decke auf den Kopf fällt", wie es so oft auf den Pressekonferenzen der Regierung versichert wurde?

Infokampagne gegen Fake-News

Die Sprecherin des ÖIF, Aleksandra Klepic, sagt zum STANDARD, dass es kein Ziel gewesen sei, Migranten vom Spazierengehen abzuhalten. Zu Beginn der Krise hätte die Regierung die Gründe, die ein Verlassen der eigenen vier Wände ermöglichen, auf drei beschränkt. "Gerade vor Ostern wollten wir, dass die Leute sich und ihre Familien schützen und daheim bleiben", sagt Klepic. Vielleicht hätte der ÖIF zu viel vorausgesetzt, in der Hinsicht, dass Spazierengehen ohnehin erlaubt sei. Ob eine weitere Nachricht zur vollständigen Aufklärung nachgesendet werde, sei noch Gegenstand von Beratungen, sagt Klepic.

Ende März kündigte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) eine umfassende "Offensive gegen Fake-News für Migranten" an. Diese umfasste neben E-Mails und Social Media auch rund rund 70.000 Info-SMS. Raab beauftragte den ÖIF mit der Umsetzung, will aber zu den SMS keine Stellung nehmen. Der ÖIF bestätigt, dass auch jene SMS mit der unvollständigen Information zu den Ausgangsbeschränkungen Teil der Informationskampagne waren.

Homepage auch unvollständig

Die SMS schließt mit einem Verweis auf "Infos in 16 Sprachen" und einem Link auf die ÖIF-Homepage. Doch auch dort waren bis vor kurzem nur jene drei Gründe aus der Nachricht aufgelistet, wie der freie Journalist Michael Bonvalot feststellte. Der ÖIF spricht von einem "redaktionellen Versehen" und übermittelte dem STANDARD Screenshots von Ende März und Anfang April, auf denen ein dementsprechender Passus am Ende der Auflistung zu sehen ist. Inzwischen wurden die Gründe, das Haus verlassen zu dürfen, auf der ÖIF-Webseite gleichwertig und dem Gesetz entsprechend ergänzt: Sport im Freien beziehungsweise um frische Luft zu schnappen sowie wenn es notwendig wird, "eine unmittelbare Gefahr für Leib, Leben und Eigentum abzuwenden".

Auch ein ÖIF-Informationsvideo informierte bis vor kurzem falsch: "Vorgaben der österreichischen Bundesregierung" würden es nicht erlauben, dass sich auf öffentlichen Orten mehr als fünf Menschen gleichzeitig treffen. Auf öffentlichen Plätzen durfte und darf sich aber eine unbegrenzte Menschenanzahl aufhalten, solange der notwendige Abstand gewahrt bleibt. Die Informationen darin seien nicht mehr auf dem aktuellsten Stand gewesen, antwortet Klepic auf die Frage, warum das Video mittlerweile offline ist.

Die ÖIF-Kampagne hat nun auch ein parlamentarisches Nachspiel. Der Neos-Abgeordnete Yannick Shetty brachte am Dienstag eine parlamentarische Anfrage ein. Er will von Raab wissen, warum der ÖIF unvollständig informiert hat. Auch interessiert sich Shetty, ob die Empfänger der SMS ihr Einverständnis gegeben haben, derartige Nachrichten zu erhalten. Shetty sagt zum STANDARD: "Es ist absurd, dass die Bundesregierung vorgibt, gegen Fake-News vorgehen zu wollen, und dabei selbst mehr als unvollständige Informationen verbreitet." (Laurin Lorenz, Jan Michael Marchart, 16.4.2020)