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Albert Einstein ein Jahr vor seinem Tod in Princeton.

Foto: AP

Als Albert Einstein Mitte April 1955 im Princeton Hospital in New Jersey aufgenommen wurde, lagen 76 Lebensjahre und eine schier unglaubliche Karriere hinter ihm. Einstein hatte die Physik in eine neue Ära überführt, war vom kleinen Patentamtangestellten in der Schweiz zum bekanntesten Wissenschafter der Neuzeit aufgestiegen. Er hatte einen Nobelpreis erhalten (wenn auch nicht für seine wichtigsten Arbeiten), war als Jude in Deutschland antisemitischen Attacken ausgesetzt gewesen und in die USA emigriert. Dort hatte er – trotz seiner pazifistischen Haltung – vor dem Hintergrund der Forschungserfolge in Nazideutschland den Bau einer Atombombe in den USA angeregt, war vom FBI dennoch als nicht vertrauenswürdiger Sozialist eingestuft worden und hatte sich nach dem Krieg für nukleare Abrüstung eingesetzt. Bis zuletzt hatte er öffentlich Stellung zu gesellschaftspolitischen Fragen bezogen und den manischen Antikommunismus der McCarthy-Ära kritisiert, wurde angefeindet und bejubelt.

Viel ist über Leben und Wirken Einsteins geschrieben worden – doch der Strom an neuer Literatur ist noch lange nicht versiegt. 65 Jahre nach dem Tod des Ausnahmephysikers sind zwei neue Bücher erschienen, die den Wissenschafter und Menschen Einstein und seine Weggefährten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.

Spaziergänge durch Raum und Zeit

Jim Holt, "Als Einstein und Gödel spazieren gingen. Ausflüge an den Rand des Denkens". € 26,80 / 493 Seiten. Rowohlt, Hamburg 2020
Cover: Rowohlt

Im Buch "Als Einstein und Gödel spazieren gingen" (Rowohlt Verlag) versammelt der US-amerikanische Autor Jim Holt faszinierende Episoden aus der anregenden Freundschaft des weltberühmten Physikers mit dem um 27 Jahre jüngeren Ausnahmemathematiker Gödel. Kennengelernt hatten sich die beiden 1940 am Institute of Advanced Study in Princeton, bald schon unternahmen sie täglich gemeinsame Spaziergänge. Die Freundschaft der beiden war so innig, dass Einstein einmal gesagt haben soll, er komme bloß noch ans Institut, "um das Privileg zu haben, mit Gödel zu Fuß nach Hause gehen zu dürfen".

Unter den unzähligen Glückwunschschreiben, die Albert Einstein 1949 zu seinem 70. Geburtstag erreichten, befand sich ein vierseitiger Aufsatz, der selbst in die Wissenschaftsgeschichte eingehen sollte. Der österreichische Mathematiker Kurt Gödel, der wie Einstein im Exil in Princeton lebte, schlug darin nichts Geringeres als ein neues Universum vor. Damit nicht genug: Dieses Gödel’sche Universum, das sich aus einer speziellen Lösung der Feldgleichungen in Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie ergibt, beweist die theoretische Machbarkeit von Zeitreisen. Einstein, der in seiner Theorie keine Möglichkeit für so ein mathematisches Schlupfloch gesehen hatte, war zunächst nur wenig begeistert.

Spannende Einblicke in das Denken der beiden Wissenschafter bieten auch kuriose Anekdoten wie jene zu Gödels Verfahren der Einbürgerung in die USA. Bei den Vorbereitungen darauf stieß der Logiker auf Widersprüchlichkeiten in der amerikanischen Verfassung – und Einstein konnte ihn nur mit größter Mühe davon abhalten, sie bei der Anhörung dem Richter umfassend darzulegen und damit seine Einbürgerung zu gefährden.

Korrekturen auf dem Sterbebett

Walter Isaacson, "Einstein. Sein Leben, seine Forschung, sein Vermächtnis." € 22,70 / 160 Seiten. Langenmüller, Stuttgart 2020
Cover: Langenmüller

Mit "Einstein. Sein Leben, seine Forschung, sein Vermächtnis" liegt im Verlag Langenmüller jetzt die übersichtliche und bilderreiche Kurzbiografie des US-amerikanischen Autors Walter Isaacson auch auf Deutsch vor. Das Buch ist wie ein farbenprächtiges Best Of Einstein, das durch die Wissenschaft und die verschlungenen Wege seines Lebens führt – ergänzt mit zahlreichen Abbildungen von Originaldokumenten, Zeitungsausschnitten und Briefen.

Der Zusammenbruch bei der Arbeit am 12. April 1955 war für Einstein wie eine Vollbremsung. Eben hatte er noch gemeinsam mit Bertrand Russell ein Manifest für nukleare Abrüstung entworfen (es sollte im Sommer als "Russell-Einstein-Manifest" veröffentlicht werden). Daneben hatte er an einer Rede gearbeitet, die er zum israelischen Unabhängigkeitstag halten wollte – und wie immer hatte er sich am Institute of Advanced Study auch noch mit Physik beschäftigt. Jetzt sagten die Ärzte dem Wissenschafter, der schon seit Jahren an einem Aneurysma der Aorta litt, dass seine einzige, wenngleich geringe Hoffnung eine sofortige Operation sei. Einstein sah die Hoffnung nicht und lehnte ab.

In den frühen Morgenstunden des 18. April 1955 starb Albert Einstein im Alter von 76 Jahren. Eine Operation, berichtete der Chefpathologe des Princeton Hospital später, hätte ihn nicht retten können – Einstein hatte gewissermaßen ein letztes Mal recht behalten (mit seiner Physik tut er das freilich bis heute). Auf dem Tisch neben seinem Krankenhausbett lagen zwölf vollgeschriebene Seiten Papier, schreibt Isaacson in seinem Buch. "Auf der letzten Seite korrigierte er noch mit unsicherer Schrift einige arithmetische Fehler, doch die Seite war bis zur letzten Zeile mit Gleichungen gefüllt." (David Rennert, 18. 4.2020)