Egal ob in Ostia bei Rom (Foto) oder anderswo in Italien: Vorerst darf die Badesaison nicht beginnen.
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Eigentlich hätten die "stabilimenti balneari", die italienischen Bezahlstrände, zu Ostern ihre Tore öffnen sollen – doch wegen der Corona-Epidemie und der strikten Kontaktsperre sind die Strände menschenleer geblieben. Und nach wie vor hat die Regierung von Giuseppe Conte keinen Hinweis darauf gegeben, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen die Badeanstalten in diesem Jahr ihren Betrieb werden aufnehmen können.

Das ist ein Problem in Italien – ein sehr großes sogar: Die Badesaison ist den Italienern heilig. "Das Meer war schon immer unsere Rettung, unsere Erlösung", betont Sergio Palazzo, Betreiber des Lido "Il Selvaggio" in Sperlonga, etwa 100 Kilometer südlich von Rom.

Um eine möglichst rasche Öffnung der Strände und Strandbäder zu ermöglichen, wurden in diesen Tagen von privaten Unternehmern schon die absurdesten Lösungen ersonnen. "Einige Firmen wollen Plexiglasboxen um die Sonnenliegen bauen, andere Tunnels zum Strand graben, die wir mit Desinfektionsmitteln abspritzen sollen", erklärte Mauro Vanni vom Verband der Badeanstalten in der Urlaubsstadt Rimini im Gespräch mit der Lokalzeitung "Alta Rimini".

Das seien aber völlig unrealistische Vorschläge. Niemand wolle mit einer Gesichtsmaske und mit Gummihandschuhen am Strand liegen – und schon gar nicht in einer Plexiglaskabine, die sich unter der Sonne aufheizt wie ein Backofen. Eines sei sicher, betonte Vanni: "Solange man sich nicht zu nahe kommen darf, kann man den Strandurlaub vergessen."

Mit der Maske zur Strandbar?

Sergio Palazzo ist diesbezüglich sehr viel weniger pessimistisch: Die Regierung werde in den nächsten Wochen schon noch zur Vernunft kommen und die Kontaktsperren zumindest an den Stränden lockern. Denn: Der Strand sei ja nicht dasselbe wie eine Bar oder ein Restaurant oder eine Disco: "Am Strand ist man unter freiem Himmel, nicht in einem engen Raum."

Außerdem habe das Meerwasser eine desinfizierende Wirkung. Und auch an Land finde das Virus unwirtliche Bedingungen vor: "Der Sand wird von der Sonne auf 40 bis 60 Grad aufgeheizt – ich möchte den Erreger sehen, der sich unter solchen Bedingungen verbreiten kann", betont Palazzo. Seiner Meinung nach würde es ausreichen, den Abstand zwischen den einzelnen Sonnenschirmen und den Liegen zu vergrößern. Für den Gang an die Lido-Bar könne man ja die Maske aufsetzen.

Große Verunsicherung

Aber die Verunsicherung ist groß – sowohl unter den Lido-Betreibern als auch unter den potenziellen Gästen. Massimo Casanova, Besitzer des Lido "Papeete" in Milano Marittima, betont, dass er während der Saison dutzende Angestellte beschäftige, denen er nun nicht sagen könne, wann sie beginnen sollen. Außerdem würde er auch gerne Musikbands buchen, die am Abend für Unterhaltung sorgen – auch das sei in der jetzigen Situation unmöglich.

Casanovas "Papeete" hatte im vergangenen Sommer nationale Schlagzeilen gemacht: Einer seiner Stammgäste, der damalige Innenminister Matteo Salvini, hatte von dort aus, zwischen dem ersten und dem zweiten Mojito, Premier Conte das Vertrauen entzogen und die Regierung zum Einsturz gebracht.

Politik und Wirtschaft

In den "stabilimenti balneari" wird aber nicht nur Politik gemacht: Die für Millionen Familien unentbehrlichen Bezahlstrände sind auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Insgesamt gibt es in Italien rund 30.000 dieser Lidos, die in der Hochsaison im Sommer 300.000 Angestellte beschäftigen und einen Umsatz von schätzungsweise 15 Milliarden Euro erwirtschaften. Der genaue Betrag ist nicht bekannt, weil bei weitem nicht alle Mieten für die Sonnenschirme und die Liegen, die pro Tag schnell einmal 40 Euro betragen, von den Betreibern mit dem Fiskus abgerechnet werden.

Rund 1.000 der insgesamt 3.000 Kilometer Sandstrände werden von den kostenpflichtigen Strandbädern belegt. Angesichts dieser Zahlen wird sich die Regierung etwas einfallen lassen müssen – auch wenn in diesem Jahr die ausländischen Gäste ausbleiben werden: Denn wer nach Italien will, müsste sich erst einmal für 14 Tage in Quarantäne begeben. Das ist wohl zu viel verlangt für eine Urlauberfamilie.

Aber zumindest für die Italiener, die ohnehin den größten Anteil der Lido-Gäste stellen, will Tourismus-Vizeministerin Lorenza Bonnacorsi eine Lösung finden. "Wir werden diesen Sommer an den Strand gehen, wir arbeiten daran", verspricht Bonnacorsi. Am Mittwoch hat die Regierung bereits eine neue Weisung erlassen, die es den Lido-Betreibern erlaubt, ihre Strandbäder nach dem Winter wieder herzurichten und zu desinfizieren. "Das ist ein erster, ermutigender Schritt", findet Sergio Palazzo. Er hofft, seine Stammgäste – unter ihnen auch der Autor dieser Zeilen – bereits im Mai wieder empfangen zu können. (Dominik Straub aus Rom, 16.4.2020)