Bis zu 90 Prozent weniger Umsatz, Kurzarbeit fast aller 400 Mitarbeiter und Mietrückstände beschäftigen Doris Felber. Sie kämpfe um die Existenz und renne um ihr Leiberl, sagt die Unternehmerin.

Foto: Regine Hendrich

Das Video, in dem sie Heimwerkern Topfengolatschen und Ähnliches ans Herz und sonst wohin legte, hat Doris Felber raschest bekannt gemacht. In der Zentrale ihrer Wiener Großbäckerei verhandelt die Unternehmerin gerade mit dem Betriebsrat, dessen Chef beim Interview interessiert zuhört.

STANDARD: Nageln wir uns eine Topfengolatsche rein?

Felber: (lacht)

STANDARD: Mit Sätzen wie diesem haben Sie für Ihre Filialen in den wiedereröffneten Baumärkten geworben. Wer hat das getextet?

Felber: Bei mir hat sich ein Werber gerührt, der wollte unbedingt mit mir arbeiten. Er hat das mit meinen Kindern getextet. Ich wollte gar nichts so Zweideutiges sagen, aber dann dachte ich mir: Nageln, Bohren, Streichen – das verstehen Heimwerker. Dann kam der Shitstorm.

Das Video des Anstoßes.
Bäckerei Felber

STANDARD: Haben Sie damit gerechnet, in der Sekunde in den Social Media berühmt zu werden?

Felber: Aber nein.

STANDARD: Warum haben Sie das Video dann wieder gelöscht?

Felber: Meine eigene Werbeagentur war empört. Dabei habe ich nur das Material fürs Video geliefert, ich kenne mich mit solchen Sachen ja nicht aus. Ich kümmere mich ums Gebäck: Die Semmel muss schön sein und die Topfengolatsche, wenn sie zum Kunden gehen. Ich wollte nur die Kunden erreichen mit meiner Botschaft.

STANDARD: Haben die Filialen in den vier Baumärkten dann viel umgesetzt?

Felber: Nein. Die Baumärkte haben den Zugang zu unseren Geschäften so abgeriegelt, dass die Kunden kaum hinkamen. Es ist so viel Ware übrig geblieben ...

STANDARD: Was tun Sie damit?

Felber: (leise) Schweinen verfüttern.

STANDARD: Bäckereien durften trotz Corona geöffnet sein, Sie haben acht Ihrer 50 Filialen geschlossen. Alle Bäcker klagen über enorme Umsatzeinbrüche. Wie viel haben Sie von Ihrem Umsatz von zuletzt 25 Millionen Euro verloren?

Felber: Wir beliefern zu 80 Prozent unsere Geschäfte, der Rest geht an Gastronomie und Hotels. In den Filialen haben wir 80 Prozent Umsatz verloren, sonst 90. Wir produzieren derzeit nur ein Drittel von sonst 150.000 Stück am Tag.

STANDARD: Von Ihren 440 Mitarbeitern sind 340 in Kurzarbeit, die Gehälter müssen Sie vorfinanzieren, bis das AMS zahlt. Ihr Gewinn lag 2018 bei 60.000 Euro, der Bilanzgewinn bei 1,3 Millionen. Wie lang geht sich das aus?

Felber: Ich bin völlig überzeugt, dass wir das packen. Wir versuchen gerade, unsere Vermieter um Stundungen zu bitten, denn die verlangen alle ihr Geld. Ich war auch bei der Signa von Herrn Benko eingemietet: beim Leiner in der Mariahilfer Straße. Dort mussten wir aber raus. Der Vertrag lief bis März, hätte ich die Miete im Voraus bezahlt, hätte man ihn verlängert. Das konnten wir nicht, also sind wir mitten in der Krise mit Sack und Pack ausgezogen.

STANDARD: Ihr Unternehmen ist 60 Jahre alt. Corona: Ihre schlimmste Krise?

Felber: Nein, mein ältester Sohn hatte vor zwölf Jahren einen schweren Unfall, ich wurde dann auch krank. Das war schlimmer. Damals wollte ich gerade ins Ausland expandieren, wir haben alles abgesagt.

STANDARD: Welche Corona-Krisen-Hilfe, abgesehen von Kurzarbeit, haben Sie jetzt noch beantragt?

Felber: Überbrückungskredite und Stundungen von Kreditraten.

STANDARD: Sind Sie zufrieden mit den Hilfestellungen der Banken und des Staats?

Felber: Mit unseren Banken klappt es jetzt gut. Ich finde es toll, dass sich jetzt alle an einen Tisch gesetzt und beschlossen haben: Wir müssen für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer etwas G'scheites auf die Beine stellen. Das ist ja gigantisch. Schmerzlich fürs Unternehmen ist allerdings, dass die Auszahlungen des AMS so lange dauern – aber der Ansturm dort ist halt auch wirklich riesiggroß.

STANDARD: Ihr Mann, dem zwei Prozent des Unternehmens gehören, ist 70 und in Pension. Bäckt er noch immer selbst in den Filialen?

Felber: Jeden Sonntag in einer anderen. Ich habe ihm schon gesagt, dass er mich erhalten muss, wenn alles schiefgeht. Er ist nicht begeistert.

STANDARD: Felber hat im Vorjahr 200.000 Euro per Crowdfunding aufgestellt, für die Finanzierung der Photovoltaikanlage in der Zentrale. Können Sie das zurückzahlen?

Felber: Die letzte Rückzahlung von 70.000 Euro ist noch offen. Ich hoffe, wir können sie bis ins nächste Frühjahr verschieben. Das Crowdfunding war super: In zwei Stunden hatten rund hundert Investoren alles gezeichnet. Die hiesigen laden wir ab und zu zum Frühstück in eine Filiale ein.

STANDARD: Noch zu Ihren Werbeauftritten: Sie haben jetzt ein neues Video rausgestellt. Warum?

Bäckerei Felber

Felber: Ja, da nehme ich auf die Kommentare der Leute Bezug. Da sagt etwa einer: "Die Frau ist nicht ganz dicht." Ich habe 400 Mitarbeiter, da stehen 400 Familien dahinter. Das Wichtigste ist doch, dass die Arbeit und etwas zu essen haben. Ich kämpfe um unsere Existenz, renne um mein Leiberl. Da ist mir völlig wurscht, ob mich wer für deppert hält.

STANDARD: Was stellen Sie online, wenn die Krise vorbei ist?

Felber: Ein Video, in dem ich mich für die Treue der Kunden bedanke und sage: Kommts alle auf einen Kaffee, ich tät' Sie alle gern kennenlernen. (Renate Graber, 17.4.2020)