Wann werden wir wieder normal leben können, mit Freunden im Wirtshaus sitzen, ins Theater, Fußballstadion oder Freibad gehen können? Es gibt niemanden, der sich diese Frage nicht zumindest leise stellt. Von dieser Art der Normalität ist Österreich auch nach der Teilöffnung der Geschäfte meilenweit entfernt. Obwohl die Zahl der Covid-19-Neuinfektionen von Tag zu Tag sinkt, muss man damit rechnen, dass diese bei einer Aufhebung der Beschränkungen rasch wieder ansteigen. Das erlebt jetzt das anfangs so erfolgreiche Singapur.

Eine häufig gegebene Antwort auf die oben gestellte Frage lautet: erst wenn es eine Impfung gegen das Coronavirus gibt. Tausende Forscher arbeiten zwar weltweit daran, doch bis ein solcher Schutz entwickelt, getestet, produziert und dann auch an Milliarden Menschen verteilt ist, wird noch viel Zeit vergehen – nach seriösen Schätzungen mindestens ein Jahr. Das ist eine schmerzhafte Aussicht.

Die "Stopp Corona"-App des Roten Kreuzes erweist sich als untauglich.
Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Es gibt einen alternativen Ausweg, der "contact tracing and testing" genannt wird und vor allem von Südkorea vorexerziert wurde: Bei jedem neuen Corona-Fall werden die Personen, in deren Nähe man sich in den Tagen davor aufgehalten hat, sofort eruiert, getestet und bei einem positiven Ergebnis isoliert. Bei konsequenter Umsetzung dieser Containment-Strategie kann der Großteil der Gesellschaft wieder normal leben, arbeiten und sich vergnügen.

Mangel an Tests

Doch die Hürden auf diesem Weg sind hoch. Eine zentrale Voraussetzung könnte Österreich in Kürze erfüllen: eine sehr geringe Zahl von Neuinfektionen. Doch beim Nachverfolgen der Kontakte hapert es. Theoretisch sollte das über Smartphones gehen, die heute fast jeder besitzt. Doch die "Stopp Corona"-App des Roten Kreuzes erweist sich als untauglich, weil die Bluetooth-Funktion in den Handys nicht verlässlich funktioniert. In ganz Europa wird zwar an neuen Apps getüftelt – aber die Technologie wird die Hoffnungen wohl erst erfüllen können, wenn Google und Apple ihre Betriebssysteme erneuert haben. Das dauert. Und dann muss ein Großteil der Bevölkerung noch dazu bewegt werden, diese Apps tatsächlich zu nutzen.

Auch für jene Massentests, die das Virus eindämmen könnten, ist bisher kein Land der Welt gerüstet, vor allem, weil es an Reagenzstoffen fehlt. 15.000 Tests am Tag hat Kanzler Sebastian Kurz im März versprochen, heute stehen wir bei rund 6000. Der Plan von Gesundheitsminister Rudolf Anschober, alle Menschen in Altersheimen zu testen, ist zwar vernünftig, zeigt aber, wie selektiv immer noch getestet werden muss. In anderen Ländern, etwa im Corona-Hotspot USA, ist die Lage noch schlimmer. Der Mangel an Tests ist der zentrale Schwachpunkt im Kampf gegen das Virus.

Irgendwann werden die Industriestaaten das Problem lösen und hoffentlich auch arme Länder mit Tests versorgen können. Aber auch dann bleiben Großveranstaltungen in Kultur oder Sport ein hohes Risiko. Dann wird sich die Frage stellen, ob nicht auch Geodaten in den Smartphones genutzt werden können, dass man also feststellt, wer sich wann an welchem Ort befunden hat. Das wirft massive Datenschutzprobleme auf und wird gerade in Österreich auf Widerstand stoßen. Aber vor die Wahl gestellt zwischen Gesundheit, Normalität und Verlust der Privatsphäre, wird man zumindest darüber diskutieren müssen, ob nicht vorübergehende Abstriche beim Letzteren ein vertretbarer Preis sind, um die Zeit bis zur Impfung zu überbrücken. (Eric Frey, 17.4.2020)