Bleibt umstritten: Die "Stopp Corona"-App des Roten Kreuz.

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Bei den Oppositionsparteien stößt die "Stopp Corona"-App des Roten Kreuzes nur auf wenig Gegenliebe. Die FPÖ hat nun sogar eine Anzeige bei der Datenschutzbehörde eingebracht. Die Freiheitlichen haben "massive datenschutzrechtliche Bedenken". Klubobmann und Ex-Innenminister Herbert Kickl fürchtet etwa "Abfluss der Daten an gigantische Konzerne wie Google oder Microsoft".

Die FPÖ verwies auch auf die Kritik der Arge Daten. Diese hatte der App ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Die Anwendung sei "nicht praxistauglich", weil Distanzmessung über Bluetooth nicht funktioniere, monierten die Datenschützer.

Ärger

Das ärgerte wiederum Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, der am Donnerstag im STANDARD-Chat für Fragen der User zur Verfügung stand. Dort erklärte er, dass die Kritik der Arge Daten aus seiner Sicht fachlich unbegründet sei. So habe das Rote Kreuz "nie behauptet, die App könne erkennen, wenn man kontaminierte Flächen berührt hat". Diese Probleme, die mit den Berechtigungen der Betriebssysteme iOS und Android zu tun haben, will das Rote Kreuz mit einer Kooperation ausräumen.

So wird die App künftig voraussichtlich als Basis eine Initiative von Apple und Google nutzen, die das Rückverfolgen von Kontakten via Smartphone ermöglichen soll. Das beauftragte Softwareunternehmen Accenture (siehe Artikel links) bestätigte dem STANDARD laufende Gespräche mit den IT-Konzernen.

Kritik

In einem Gutachten für den SPÖ-Datenschutzsprecher Christian Drobits merkt der Rechtsinformatiker Nikolaus Forgó in Bezug auf "Stopp Corona" an, dass eine Übermittlung personenbezogener Daten ohne Einwilligung laut Epidemiegesetz möglich sei. So speichert das Rote Kreuz, das laut Forgó "sehr deutlich" Wert auf Datenschutz lege, bei einer Infektion die Handynummer von Nutzern.

Das Epidemiegesetz sieht im Katastrophenfall vor, dass Meldungen, inklusive personenbezogener Daten, an Behörden weitergeleitet werden müssen – auch ohne Einwilligung. Das könnte auch bei der Infektion mit dem Virus zutreffen. Demnach könnten Nutzer ohne ihr Wissen "enttarnt" werden. "Gleiches gilt auch für Handshake-Partner", so Forgó.

Auch verweist der Experte auf allgemeine Störungen, die die Verwendung der App in der Praxis schwierig machen könnten: etwa wenn jemand missbräuchlich eine Diagnose mit dem Virus ausschickt – beispielsweise unabsichtlich, aufgrund eines Missverständnisses oder mit böser Absicht. Dadurch würden seine Kontakte alle fälschlicherweise in Quarantäne geschickt werden. Bei der Softwarelösung von Apple und Google sieht der Rechtsinformatiker einen "vergleichsweise hohen Aufwand", um "datenschutzrechtliche Freiwilligkeit bei den Teilnehmern sicherzustellen".

Nein zur App-Verpflichtung

Eine mögliche Verpflichtung wäre "unverhältnismäßig" und somit unrechtmäßig wäre. Jedoch empfiehlt Forgó ein Gesetz zur Förderung des freiwilligen Einsatzes von Tracing-Apps, wobei hier das Ziel sein soll, eine größtmögliche Akzeptanz des Einsatzes zu ermöglichen. Forgó verweist auf die Gefahr, dass die Freiwilligkeit einer App wie "Stopp Corona" ausgehebelt wird, indem Dritte sich einmischen – etwa könnten Supermärkte verlangen, dass man die App nutzt. Auch wäre eine gesetzliche Absicherung in Bezug auf künftige Projekte sinnvoll, sagt Forgó. "Dann müsste die Lösung des Roten Kreuzes auch bei Einsatz der Initiative von Apple und Google dieser entsprechen." Im Chat moniert Foitik, dass es "den Politikern vorzuwerfen sei", "dass die App zum Politikum geworden ist. Wir waren nicht daran beteiligt". Man mache wenig Werbung für die App, sondern setze auf Inhalte und Medienanfragen. (Muzayen Al-Youssef, Georg Pichler, Fabian Schmid, 16.4.2020)