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PRO: Ischgl in den Knochen

von Wolfgang Weisgram

Erst Kritzendorf! Dann das Salzkammergut! Und jetzt der Neusiedler See! Alle sperren sich gegen die Wiener, die sich ihrerseits zunehmend eingesperrt fühlen in der heißen und immer heißer werdenden Stadt. Nachvollziehbar, dass da auch die Emotionen hochkochen.

Aber die Debatte über die Sperren der Seebäder ist unredlich. Sie blendet aus, was der Grund für all diese Grundrechtseingriffe ist. Man kann doch nicht ernsthaft so tun, als ob ein burgenländischer Landeshauptmann tatsächlich aus Jux und Tollerei und föderalem Eigensinn und Aversion gegen die Wiener die Seebäder sperren würde. Hans Peter Doskozil ist auch Tourismusreferent. Alles mag man dem roten Herrn Doskozil nachsagen. Aber dass er ein Trottel wäre, erzählt man sich nicht einmal in der Bundes-SPÖ.

Die Seeregion ist die burgenländische Tourismusregion. Jedenfalls der Norden des Sees ist längst schon eine Wiener Freizeitanlage. Alle scharren hier – no na ned – in den Startlöchern für 2020. Das erste Maiwochenende ist der traditionelle Sommerstart am See. Das Wetter ist strahlend. Die Schenkhäuser, die Radlwege, die Hotels wären bereit.

Da geht es um einen Haufen Geld. Aber Ischgl mit seiner Leichtfertigkeit sitzt auch im Burgenland einem jeden und einer jeden in den Knochen. Soll, weil es so manche nicht mehr erwarten wollen oder zu können glauben, nun das Meer der Wiener zu einem Corona-Hotspot werden? (Wolfgang Weisgram, 16.4.2020)

KONTRA: Seltsame Kirchturmpolitik

von Petra Stuiber

Vielleicht sollte man überlegen, die Eingangskontrollen zu den Neusiedler-See-Bädern privaten Unternehmen zu überantworten. Wundersamerweise haben es zum Beispiel alle Baumärkte geschafft, den Ansturm der Besucher bei der Wiedereröffnung zu bewältigen – unter Wahrung der Sicherheitsabstände.

Es ist erstaunlich, dass so etwas im Burgenland, rund um den See, der nicht zu Unrecht auch das "Meer der Wiener" genannt wird, nicht möglich sein sollte. Zumindest scheint das der Landeshauptmann zu glauben, der ihn de facto für Nichtburgenländer sperren lässt. Das ist hochgradig populistisch und stellt der (Selbst-)Organisationsfähigkeit der Burgenländer ein Armutszeugnis aus. Völlig zu Unrecht, übrigens. Denn was der Landeshauptmann nicht für möglich hält, haben die Burgenländer in den vergangenen Jahrzehnten stets bewiesen: dass sie pragmatisch und mit Hausverstand (ein beliebtes Wort derzeit) das Beste für sich und ihr Land tun. Erholung suchende Wiener zu vertreiben gehörte da bisher eher nicht dazu, im Gegenteil.

Die Bürgermeister des Ausseerlandes, die keine Zweitwohnsitzer mehr wollen, machten den Anfang. Jetzt übernimmt Doskozil diese Rolle. Jeder ist sich selbst der Nächste, jeder beäugt den anderen schräg, der aus dem Nachbar(bundes)land, aus der Nachbarregion kommt – bald vielleicht schon aus dem Nachbardorf? Die Kirchturmmentalität feiert fröhliche Urständ. Das ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik. (Petra Stuiber, 16.4.2020)