Viele Züge sind leer oder fast leer, und der ÖBB fehlen die Einnahmen.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Der Corona-Krise-Hilfsbedarf der ÖBB sorgt in der Regierung für hektische Betriebsamkeit. Insbesondere der finanzielle Umfang möglicher Staatshilfen für die Staatsbahn birgt Sprengstoff, geht es doch um rund eine halbe Milliarde Euro, die außerhalb der bereits konzipierten Milliarden-Corona-Hilfen aufgestellt werden muss.

Über die Höhe der Finanzhilfe für die nicht nur bei Bahnausbau und -betrieb am Tropf des Steuerzahlers hängende und mit Milliardenschulden für den Bahnausbau belastete Staatsbahn wird im türkis-grünen Regierungsteam noch intensiv debattiert werden. Denn wohl besteht informell Einvernehmen darüber, dass der ÖBB-Personenverkehr angesichts des pandemiebedingten massiven Fahrgastschwundes eine Ersatzfinanzierung braucht. Wie die Vergabe bewerkstelligt wird, ist aber offen. Es geht allein im Personenverkehr um rund 250 Millionen Euro, um einen Betrag in gleicher Höhe ist für den Güterverkehr in Rede – DER STANDARD berichtete exklusiv.

Pendlerzüge und Schülerbusse

Kern des Problems sind die Nettoverträge, mit denen der öffentliche Schienenpersonennah- und -regionalverkehr von Bund und Ländern bei der ÖBB bestellt wurde. Hier überlegt man eine Umstellung auf Bruttoverträge, was den Vorteil hätte, dass dem ÖBB-Personenverkehr der Aufwand pro Zugfahrt abgegolten werden kann – unabhängig von der Zahl der Fahrgäste, die an Bord sind. "Das wäre eine faire Regelung, um den Berufsverkehr mit Taktfahrplan aufrechtzuerhalten", skizziert der Verkehrssprecher im ÖVP-Parlamentsklub, Andreas Ottenschläger das System. Denn mit Unterauslastung sei wohl noch länger zu rechnen in ÖBB-Zügen und ÖBB-Postbussen.

Auch Bordrestaurants leer

Auf der Weststrecke zeichnet sich ebenfalls ein Systemwechsel ab. Wien–Salzburg, die einzige Bahnstrecke, auf der es Wettbewerb gibt und die von den Bahnbetreiben ohne Subventionen oder öffentliche Zuzahlungen auskommen muss, könnte die öffentliche Hand mittels Notvergabe vorübergehend ein Grundangebot bestellen, um Westbahn und ÖBB gleichermaßen aufzufangen. Weiter in den Westen bis Vorarlberg ist das nicht notwendig, weil der Bund diese Fernverkehrszüge im Wege der Verkehrsdiensteverträge (VDV) ohnehin bestellt – wie auch auf der Südbahn zwischen Wien und Graz und Wien und Villach.

Keine Fahrgäste, keine Abnehmer im Zugrestaurant. Das trifft die ÖBB und ihren Caterer.
Foto: Angelika Staub-Zojer

Als dritter Problembereich kristallisieren sich im ÖBB-Personenverkehr die Nachtzüge heraus. Sie sollen offenbar mit einer separaten Förderung über Wasser gehalten werden. ÖBB-Insider beziffern den Ausfall mit rund 20 Millionen Euro. Weitere rund 25 Millionen Euro Bedarf werden laut STANDARD-Recherchen bei Zugverpflegung und Bordrestaurants ausgemacht, denn mangels Fahrgästen gibt es auch für ÖBB-Caterer "Don" massive Ausfälle, für die zumindest teilweise die ÖBB aufkommen wird müssen.

Was vielversprechend begann, ist in der Coronavirus-Krise zum Problem geworden: die ÖBB-Nightjets.
Foto: Philip Pramer

Zankapfel Güterverkehr

Nicht so glatt dürfte die Abarbeitung des zweiten großen Brockens an staatlicher Unterstützung vonstattengehen: die 250 Millionen für den ÖBB-Güterverkehr Rail Cargo Austria (RCA). Ottenschläger fordert "Open Books und Kostenwahrheit, eine Diskussion ohne Tabus" und stellt Bedingungen. Denn in der ÖBB gebe es noch immer verdeckte Kosten und Quersubventionierungen zugunsten der RCA. Profitable und unrentable Bereiche seien offen zu legen, und es sei zu definieren, was an Transporten volkswirtschaftlich unverzichtbar ist, so der ÖVP-Mandatar.

Knapp fällt die ÖBB-Stellungnahme zur Staatshilfe aus: "Wir müssen sparen, Kosten reduzieren und werden uns um jene staatliche Unterstützung bemühen, die die Regierung für Unternehmungen für solche Situation extra geschaffen hat, etwa die Kurzarbeit."

Bedingungen bei Kurzarbeit

Letztere wie auch die Staatshilfe generell wollen die Neos an Bedingungen knüpfen. "Jeder dritte Arbeitnehmer in Österreich ist ohne Job oder in Kurzarbeit, nur Beamte, Pensionisten und Alteisenbahner haben keine Einbußen. Das geht nicht", echauffiert sich Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker und kündigt einen Antrag im Nationalrat an, um auch Alteisenbahner, sogenannte AVB-Bedienstete mit erhöhtem Kündigungsschutz, in Kurzarbeit schicken zu können.

Dazu brauche es derzeit laut gängiger Lehrmeinung eine gesetzliche Regelung, sagen namhafte Arbeitsrechtler unter Verweis auf die "Wahrungsklausel", mit der die Republik für die AVB-Bezüge einst die Haftung übernommen hat.

Dass die kündigungsgeschützten ÖBBler von der Kurzarbeit im Konzern ausgenommen werden, "ist ein Schlag ins Gesicht jedes Arbeitnehmers, der um seinen Job bangt oder diesen bereits verloren hat", kritisiert auch Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. Diese Haltung der ÖBB-Belegschaftsvertreter sei schon allein aus dem Gesichtspunkt der Solidarität innerhalb der ÖBB-Belegschaft unverständlich und inakzeptabel. (Luise Ungerboeck, 17.4.2020)