STANDARD: Am 1. April übernahm Klaus Bischoff (bisher Designchef der Marke VW) die Verantwortung für das Konzern-Design und löste Sie damit nach über vier Jahren ab. Ein Abstieg? Und: Freuen Sie sich darauf, endlich wieder ausschließlich Porsches zeichnen zu dürfen?
Mauer: Porsche ist eine der erfolgreichsten Automarken und hat sich für die Zukunft viel vorgenommen. Das Design wird dabei eine entscheidende Rolle spielen. Ab sofort kann ich mich dieser Rolle wieder zu hundert Prozent widmen.
STANDARD: Welche Möglichkeiten, die Designlinien der einzelnen Marken im VW-Bauch laden zu bestimmen, hatten Sie? Warum haben Sie nicht mehr Spreizung bei den Massenmarken VW, Škoda und Seat durchgesetzt – wie es etwa PSA bei Peugeot, Citroën und Opel macht?
Mauer: Ein Designer, egal in welcher Position, kann immer nur beraten und versuchen zu überzeugen. Letztendlich entscheidet der Vorstand.
STANDARD: Welches war das letzte Auto aus Ihrer Hand bei Porsche, was wird das nächste sein? Was mit Verbrenner oder was Batterieelektrisches?
Mauer: Das letzte Auto, das wir präsentiert haben, ist der Taycan. Zu den weiteren Modellen kann ich heute noch nichts verraten – diese unterliegen noch der Geheimhaltung. Das nächste wird aber selbstverständlich auch sensationell gut aussehen.
STANDARD: Welche Design-Möglichkeiten wird Ihnen der gemeinsam mit Audi entwickelte Elektrobaukasten geben, die PPE (Premium Platform Electric), die Ende 2021 in erste Fahrzeuge mündet?
Mauer: Mittel- bis langfristig bieten Elektrobaukästen für Designer gute Voraussetzungen. Die Freiheitsgrade steigen und eröffnen neue Möglichkeiten.
STANDARD: Welche gestalterischen Freiheiten haben Sie überhaupt bei einer Marke, deren einzelne Akteure aussehen wie nach 911er-Designbausätzen gemacht?
Mauer: Bei Porsche achten wir darauf, dass jedes Modell zunächst als Porsche zu erkennen ist und zusätzlich eine eigene Produktidentität erhält. Somit hat jeder Porsche seine eigene formale Charakteristik, die sicherstellt, dass sich jedes Modell deutlich unterscheidet. Das ist bei Porsche sicher viel deutlicher ausgeprägt als im Wettbewerb.
STANDARD: Zur Designikone 911 selbst: Der 992 wird gerade ausgefaltet. Wird der 993 wieder ein "echter Mauer"?
Mauer: Der Nachfolger des aktuellen 911 wird wieder ein echter 11er. Auch bei diesem Modell werde ich wie bei den Vorgängermodellen 991 und 992 in meiner Rolle als Chefdesi gner beteiligt sein. Auch beim neuen Modell bleiben wir unserer Designphilosophie treu.
STANDARD: Zählt es nicht zu den schwierigsten Designaufgaben, dieses Modell in die Zukunft zu gestalten, ohne die Historie zu beschädigen? Darf es zum Beispiel einen Elektro-11er geben?
Mauer: Die Aufgabe, einen 911er zu designen, ist vor dem Hintergrund der einzigartigen und erfolgreichen Historie auf der einen Seite eine besondere Herausforderung, für uns bei Porsche ist sie jedoch Kernelement unserer Arbeit. Bezüglich eines elektrischen 911 kann ich als Designer nur sagen: The sky is the limit.
STANDARD: Warum hat der Panamera (schon der erste Buckelwal) funktioniert, der 928 hingegen seinerzeit nicht? Gar so weit ist dessen Silhouette ja nicht vom Panamera Sport Turismo weg.
Mauer: Als Designer bin ich natürlich davon überzeugt, dass der Erfolg eines Produktes maßgeblich von einem attraktiven Äußeren, also dem Design, abhängt. Tatsache ist aber auch, dass viele Faktoren, die nicht im Einflussbereich des Designers liegen, eine Rolle spielen. Mit manchen Themen waren wir unserer Zeit auch einfach etwas voraus.
STANDARD: Vermissen Sie die Ära Wiedeking, und wie "familiär" geht es heute bei Porsche zu?
Mauer: Als Designer schaut man konsequent nach vorne, und jede Zeit, jede CEO-Ära beinhaltet Themen, an die man sich gerne zurückerinnert. Und auch Sachen, die man gerne wieder vergisst. Als Designer, der auch schon bei diversen anderen Marken gearbeitet hat, kann ich aber behaupten, dass der Teamspirit bei Porsche trotz Wachstums immer noch sehr ausgeprägt ist.
STANDARD: Zurück zu Verbrenner und Elektro: Wird die optische Differenzierung zwischen beiden Antriebsformen etwa die Balance halten, die heute zwischen Panamera und Taycan besteht, oder wird die Spreizung größer?
Mauer: In unserer Designphilosophie ist klar definiert, dass es eine Markenidentität und eine Produktidentität gibt. Außerdem haben wir entschieden, dass die Differenzierung der batterieelektrischen Modelle auf der Produktebene stattfindet.
STANDARD: Stichwort SUVs, Crossover: Wie viel Verwässerung verträgt die immer noch als Sportwagenmarke wahrgenommene Marke Porsche?
Mauer: Solange eine Marke wie Porsche auch durch das Design klar visualisiert, dass es sich im relevanten Segment jeweils um das sportlichste Angebot handelt, sind die Möglichkeiten aus meiner Sicht unbegrenzt.
STANDARD: Warum hat Porsche das Bedienungsdesaster Touchscreen mitgemacht?
Mauer: Aus unserer Sicht handelt es sich dabei nicht um ein Desaster – unsere Kunden bestätigen, dass diese Entscheidung richtig war.
STANDARD: Wie löst man die Aufgabe, immer komplexere Inhalte über kluges Design selbsterklärend zu vermitteln?
Mauer: Durch eine kreative und intelligente Bedienphilosophie, die wir stetig weiter entwickeln.
STANDARD: Autonomes Fahren, immer stärkere Regulierung auch im Straßennetz und das Feindbild Auto im Zeichen der Klima hysterie: Hat eine hochemotionale Marke wie Porsche überhaupt eine Zukunft?
Mauer: Hochemotionale Premium-Produkte hatten, haben und werden immer ihren Kundenkreis finden. Ich denke, dass sich Volumenmarken hier stärker mit den von Ihnen beschriebenen Szenarien auseinandersetzen müssen. Ich bin mir sicher, das letzte Auto, das noch mit einem Lenkrad gefahren werden wird, wird ein Porsche sein.
STANDARD: Mercedes SLK und SL, Smart Roadster/ Roadster-Coupé, Saab 9X und 9-3 und dann Porsche Panamera und Kon sorten: Auf welches Auto sind Sie heute besonders stolz?
Mauer: Das ist eine schwierige Frage. Ich würde sagen: Fragen Sie einen Vater, welches seiner Kinder sein Lieblingskind ist. (Andreas Stockinger, 24.04.2020)