Laut Karl Nehammers Innenministerium (ÖVP) wurde Geflüchteten auch schon vor der Coronakrise das Taschengeld gekürzt oder entzogen, wenn sie gegen die Hausordnung verstoßen haben.

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Dass Geflüchtete vom österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) per SMS nur lückenhaft über Corona-Maßnahmen informiert wurden, ist offensichtlich kein Einzelfall. Auch das Innenministerium verschweigt in einem auf Englisch verfassten Informationsblatt an Personen in der Grundversorgung, dass etwa Bewohner von Asylquartieren grundsätzlich hinausgehen dürfen, um frische Luft zu schnappen. Das Dokument, das Geflüchtete unterzeichnen müssen, liegt dem STANDARD vor.

Das Ressort von Minister Karl Nehammer (ÖVP) geht aber noch einen Schritt weiter. Bei einem Verstoß gegen die unvollständigen Instruktionen droht den Geflüchteten eine Kürzung der Grundversorgungsleistung (im Text "basic services") beziehungsweise ein Entzug des Taschengelds.

Ein unvollständiges "etc."

Aus Sicht des Innenministeriums gibt es nur wenige Gründe, um das Haus zu verlassen. Etwa um unmittelbare Gefahren gegen Leib, Leben und Eigentum abzuwenden. Darüber hinaus sei der Ausgang nur für grundsätzliche Erledigungen erlaubt: Einkauf von Lebensmitteln, Gang zu Apotheke oder Bankomat, Arztbesuch beziehungsweise ärztliche Behandlung sowie Beerdigungen im engsten Familienkreis. Vor dem die Aufzählung schließenden "etc." folgt allerdings kein Hinweis darauf, dass auch das Spazierengehen erlaubt oder ist oder es möglich ist, beispielsweise auch anderen zu helfen.

Das Ressort betont, dass das Formular nur ein Teil einer Informationskampagne sei. "Natürlich kann ein solches nie sämtliche Gegebenheiten widerspiegeln, oder persönliche Gespräche ersetzen", heißt es in der schriftlichen Antwort. Die Betreuer von ORS, einer österreichischen Tochtergesellschaft der Schweizer Betreiberfirma, die die Bundesasylquartiere in Österreich betreibt, würden die Bewohner laufend und in verschiedenen Sprachen über das Coronavirus aufklären. Darüber hinaus gebe es unter anderem Informationsplakate in allen Unterkünften.

Taschengeldkürzung "Ultima Ratio"

Was das Spazierengehen anlangt, hätten Geflüchtete die gleichen Rechte wie Österreicher. Dies sei den Asylwerbern auch so zur Kenntnis gebracht worden, erklärt das Ministerium.

Eine Kürzung oder Entziehung des Taschengeldes sieht das Ressort als "Ultima Ratio". Es sei anzumerken, dass immer wieder das Taschengeld gekürzt werde, wenn sich Personen nicht an die Hausordnung halten, "auch außerhalb von Corona-Zeiten". In erster Linie werde das Gespräch gesucht.

Die Unterschrift unter dem besagten Informationsformular diene als "Nachweis der Zurkenntnisbringung der Inhalte". Zwangsmaßnahmen seien bei einer Verweigerung nicht vorgesehen, erklärt das Innenministerium. Bisher habe kein Asylwerber die Unterschrift verweigert.

Neos orten Willkür

Die NGO Asylkoordination übt Kritik: "Das Innenministerium täte gut daran, endlich für eine verordnungskonforme Unterbringung zu sorgen, anstatt falsche Informationen und Angst zu verbreiten", sagt Asylkoordinatonssprecher Lukas Gahleitner.

Auch Neos-Asylsprecherin Stephanie Krisper kritisiert die Informationspolitik des Innenministeriums und spricht von purer Willkür. Die Androhung einer Reduktion der Grundversorgung oder des Taschengelds sei eine Einschränkung der persönlichen Freiheit ohne gesetzliche Grundlage. "Wir werden nachfragen, wer diese Willkür zu verantworten hat." (Laurin Lorenz, Jan Michael Marchart, 17.4.2020)