Wer symptomatisch an Covid-19 erkrankt war, sollte sich auch im Falle einer noch gültigen Tauchtauglichkeit vor einem Tauchgang nochmals gründlich untersuchen zu lassen – vor allem die Lungen.

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Lungen-CT eines 40-jährigen Patienten, sechs Wochen nach Covid-Infektion, subjektiv fühlt er sich wohl, bei Anstrengung (fünf Kniebeugen) Sauerstoffsättigungsabfall als Zeichen eines Lungenshunts. Beidseits massive Konsolidierungen und Infiltrate.

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Innsbruck – Frank Hartig ist international renommierter Tauchmediziner. Doch in diesen Zeiten tut auch der gelernte Intensiv- und Notfallmediziner Dienst an der "Corona-Front" in der Innsbrucker Universitätsklinik. Dabei machte er in den vergangenen Wochen zusammen mit Kollegen eine Beobachtung hinsichtlich möglicher Lungenschädigungen nach einer Covid-19-Infektion, die er nun im Taucher-Fachmagazin Wetnotes bereits als Leserbrief veröffentlicht hat. Die entsprechende wissenschaftliche Aufarbeitung ist gerade im Gange.

Hartig betont daher mehrfach, dass es sich um keine allgemeingültigen Aussagen handelt, sondern eben um "beunruhigende Beobachtungen" bei mehreren Patienten, die weiterer Studien und Forschungen bedürfen. Doch weil diese Zeit in Anspruch nehmen, die der Tauchmediziner angesichts der anstehenden Sommersaison nicht verstreichen lassen will, wandte er sich mit einer Warnung vorab an die Tauch-Community. Konkret ruft er alle, die symptomatisch an Covid-19 erkrankt waren, sich auch im Falle einer noch gültigen Tauchtauglichkeit vor einem Tauchgang nochmals gründlich untersuchen zu lassen – vor allem die Lungen.

Beschwerdefrei trotz schwerer Lungenschäden

Denn Hartig beobachtete bei mindestens sechs Covid-19-Patienten in Innsbruck, die auch Taucher sind, dass diese fünf bis sechs Wochen nach ihrer Genesung, als sie sich längst beschwerdefrei fühlten, noch immer schwerwiegende Schädigungen der Lunge aufwiesen. Er beschreibt die Situationen wie folgt: "Da ist ein junger Mensch, um die 40 Jahre alt, der sich wegen der Infektion etwa eine Woche krank gefühlt hat. Er kommt über einen Monat später, vermeintlich gesund, zur Kontrolle. Dann kommt der Befund vom Röntgen, und ich traue meinen Augen nicht. Denn der Patient, der da vor mir sitzt, müsste eigentlich beatmet werden."

Anfangs, erzählt Hartig, dachte er an einen Fehler, eine Verwechslung der Befunde. Er rief extra bei den Kollegen im Röntgen an, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass hier Befunde vertauscht worden seien, erzählt der Tauchmediziner. Doch die Bilder waren die richtigen. "Die Leute fühlen sich besser, als es ihre Befunde zeigen. Das ist schon sehr spooky", sagt Hartig. Offenbar sei das Überstehen der Infektion bei Covid-19 noch nicht alles. Die Beobachtungen des Innsbrucker Mediziners deuten darauf hin, dass bleibende Schäden der Lungen bei einem unklaren Prozentsatz eine Langzeitfolge sein könnten. Das würde Covid-19 sehr deutlich von einer Influenza unterscheiden, sagt Hartig.

Vor Tauchgang unbedingt zum Arzt

Zugleich betont der Tauchmediziner, dass er kein Experte für Covid-19 sei und das auch nicht behaupten wolle. Seine Warnung ziele in erster Linie auf Taucher ab, weil diese als Tauglichkeitsnachweis zur Ausübung ihres Hobbys ein medizinisches Attest brauchen, das nicht älter als drei Jahre sein darf. Hartig, selbst leidenschaftlicher Taucher, ruft daher die Community dringend auf, sich heuer im Falle einer abgelaufenen Covid-19-Infektion vor neuerlichen Tauchgängen untersuchen zu lassen. Auch wenn man vielleicht meint, man sei gesundet.

Über Menschen, die nicht dem Tauchsport frönen, will Hartig keine allgemeine Aussage treffen, bevor die Folgen einer Covid-19-Erkrankung nicht genau erforscht sind. Er weist lediglich auf Beobachtungen hin, die zeigten, dass es nach einer "symptomatischen Covid-19-Infektion" – also wenn jemand deshalb eine Woche lang gefühlt krank war – womöglich zu dauerhaften Veränderungen in der Lunge kommen kann. Im Fall von Tauchern können solche Veränderungen unter Umständen lebensbedrohlich werden, weshalb Hartig alle Tauchärzte anrät, bei Covid-19-Patienten unbedingt auch nach der Krankheit eine Röntgenaufnahme der Lunge in Betracht zu ziehen und die Tauglichkeit zu reevaluieren.

Wer nicht taucht und von derlei Folgen betroffen ist, der bemerke womöglich im Alltag oder beim Sport, dass er schnell außer Atem komme und kaum leistungsfähig sei. Bei solchen Anzeichen rät Hartig, einen Arzt aufzusuchen, um das abklären zu lassen. Er rät dazu, genau hinzuschauen, denn Beschwerdefreiheit allein genüge offenbar nicht, um solche Folgeschäden auszuschließen. (Steffen Arora, 17.4.2020)