Klein und gemütlich, aber eng: Das Einhalten des Mindestabstands wird auf den bewirtschafteten Berghütten nicht einfach werden. (Im Bild die Rinnerhütte im Toten Gebirge).

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Die grundsätzliche Marschrichtung hat Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bereits in der Karwoche vorgegeben: Urlaub in Österreich lautet die Devise. Niemand wisse, wann die Reisebeschränkungen aufgehoben werden könnten; zudem brauche die jetzt schon angeschlagene Tourismuswirtschaft die Unterstützung der Österreicher, da die Gäste aus dem Ausland möglicherweise ausbleiben werden.

Nimmt man das bisherige Urlaubsverhalten der Österreicher im Inland als Basis, dann werden wohl viele zumindest einen Kurzurlaub in der heimischen Bergwelt planen. Laut einer Erhebung der Wirtschaftskammer über das Inlandsurlaubsverhalten der Österreicher und Österreicherinnen steht für immerhin 59 Prozent Wandern an erster Stelle der zehn Top-Aktivitäten. Schwimmen und Baden rangiert mit 36 Prozent weit abgeschlagen.

Regional ist die Dominanz des Bergurlaubes noch ausgeprägter. "79 Prozent der Inlandsgäste verbringen bei uns einen Wander- und Bergurlaub", sagt Leo Bauernberger, Geschäftsführer der Salzburger-Land-Tourismusgesellschaft (SLTG). Auch Peter Kapelari, Hüttenreferent des Österreichischen Alpenvereins, erwartet, "dass die Österreicher in die Berge kommen".

Einbußen für Schutzhütten

Ökonomisch würden die Österreicher den Ausfall der Touristen aus dem Ausland freilich nicht wettmachen können. In Salzburg kämen zwar 23 Prozent der Sommergäste aus dem Inland, sagt Bauernberger, "die Schlacht wird aber am deutschen Markt geschlagen". 40 Prozent der Sommerurlauber in Salzburg sind Deutsche. In Tirol sei das Verhältnis noch extremer: Hier kämen nur rund zehn Prozent der Urlauber aus dem Inland.

Auch die alpinen Vereine rechnen auf ihren Schutzhütten mit massiven Einbußen, und so hat der Alpenverein seinen Sektionen für die insgesamt 230 Hütten bereits empfohlen, die Pacht für ihre Hüttenwirte auszusetzen oder zu verringern. Bei umsatzabhängigen Pachtzahlungen sei das Risiko ohnehin schon von vornherein zwischen Sektion und Pächter geteilt. Auch die Naturfreunde arbeiten an Lösungen, um ihre Pächter zu entlasten.

Almsommer

Trotz katastrophaler wirtschaftlicher Aussichten versucht SLTG-Chef Bauernberger im STANDARD-Gespräch, ein klein wenig Optimismus zu versprühen: Den Almsommer werde es in Salzburg auf jeden Fall geben, das Vieh werde ja auch auf die Almen getrieben. Die Abstandsregeln hält er beim Wandern für nicht hinderlich, "das Ganze spielt sich ja in Kleingruppen und extrem dezentral ab".

Auch die Bewirtschaftung auf den Almen hält Bauernberger für regelbar, die meisten hätten große Terrassen, wo der geforderte Abstand einhaltbar sei. Bei Schlechtwetter oder am Abend zur Hüttengaudi dürfte der Abstand angesichts der Enge in vielen Hütten freilich kaum einzuhalten sein.

"Nur jede zweite Matraze?"

Geht es um Übernachtungen auf dem Berg, sieht alles ohnehin wieder ganz anders auch. Beim Alpenverein weiß man jedenfalls noch nicht, wie eine Nächtigung mit Abstand im Matratzenlager funktionieren soll. "Nur jede zweite Matratze belegen?", fragt Hüttenreferent Kapelari scherzhaft. Kämen Familien, könnte man diese wohl enger unterbringen, meint Kapelari, wie aber andere Standards in Sachen Desinfektion und Hygiene einzuhalten seien, weiß auch er noch nicht. Vorerst werden Reservierungen nur "mit Vorbehalt" entgegengenommen.

"Der Berg ist unsere Marke"

Wie die Unterbringung auf den Hütten geregelt werde, sei auch für die Bergführer von zentraler Bedeutung, heißt es in einem Schreiben des Bergführerverbandes an Sportminister Werner Kogler (Grüne). Er habe Ende Mai zwei Gletscherkurse im Dachsteingebiet im Programm, sagt der Chef des Salzburger Bergführerverbandes, Günter Karnutsch. Ohne Nächtigung auf der Simonyhütte auf der oberösterreichischen Seite des Dachsteines wären diese nicht durchführbar. Karnutsch ist aber überzeugt, dass der Bergtourismus im Sommer wiederauflebt: "Der Berg ist unsere Marke."

Bergrettung im Stress

Mit deutlich gemischteren Gefühlen sieht man die zarten Wiederbelebungsversuche des Tourismus im alpinen Raum beim Österreichischen Bergrettungsdienst mit seinen über 12.000 großteils ehrenamtlichen Bergrettern. Die Bergrettung hatte ja in den vergangenen Wochen mit einer massiven Kampagne versucht, möglichst viele Bergbegeisterte vom Berg fernzuhalten. Wie man nun im Regelbetrieb mit der Virusbedrohung umgehen werde, müsse erst in speziell zusammengestellten Teams erarbeitet werden, sagt Bundesgeschäftsführer Martin Gurdet.

Bisher habe man sich ja ausschließlich vor Ansteckungen über Blut mit Hepatitis oder HIV schützen müssen, sagt Gurdet, der auch Einsatzleiter der Bergrettung Niederösterreich ist. Covid-19 bedürfe ganz anderer Schutzmaßnahmen. Wobei es nicht nur um die Ansteckung durch einen möglicherweise infizierten Verunfallten gehe. Bei größeren Einsätzen komme man schnell auf eine zweistellige Mannschaftsstärke, sagt Gurdet. Abstände wären aber im Notfall kaum einzuhalten. Sei dann ein Bergrettungsmann infiziert, müsste die gesamte Partie in Quarantäne. Damit drohe in der Folge die Einsatzfähigkeit ganzer Ortsstellen verlorenzugehen. (Thomas Neuhold, 19.4.2020)