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Mehr Länder als je zuvor brauchen finanzielle Hilfe internationaler Institutionen.

Foto: Reuters / Mohammad Ponir Hossain

Die Corona-Pandemie hat die Weltwirtschaft in Tiefschlaf versetzt. Das trifft die Entwicklungs- und Schwellenländer besonders hart. Argentinien etwa kämpfte schon vor der Pandemie mit einer Rezession und Staatspleite. Brasilien, Südafrika, Mexiko und Kolumbien sind jene Länder, die von Analysten der Schweizer Bank UBS im Hinblick auf Schulden, Wachstum und Wechselkurssituation nun als besonders riskant eingestuft werden.

Neben den fundamentalen Problemen haben die Schwellenländer im ersten Quartal auch unter den Finanzabflüssen gelitten. Anleger sind aus diesen Märkten geflüchtet, schneller als je zuvor. Von Jänner bis Ende März haben Investoren 62,5 Milliarden Dollar aus Schwellenländeraktien und -anleihen abgezogen.

Das ist laut Ökonomen des Welt-Bankenverbandes Institute of International Finance (IIF) rund doppelt so viel, wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 abgeflossen ist. Der Aktienindex MSCI Emerging Markets büßte allein im März mehr als 15 Prozent ein.

Die Schwellenländerkrise könnte auf die Erholung der Weltwirtschaft durchschlagen. Davor warnte der frühere EZB-Vizepräsident Vitor Constancio. Mehr als 85 Staaten haben bereits beim Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfskredite gebeten – mehr als im Zuge der Finanzkrise.

So viele Länder gleichzeitig haben in der 75-jährigen Geschichte des IWF noch nie um Hilfe angesucht, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgieva. Je nach Dauer und Intensität der Krise könnte das den IWF an seine finanziellen Grenzen bringen.

"Die Schwellenländer haben im ersten Quartal aber auch ein deutliches Lebenszeichen von sich gegeben und die USA bei Börsengängen überholt", betont Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin Private Banking der Bank Austria. In China gab es von Jänner bis Ende März 50 Börsengänge mit einem Gesamtvolumen von elf Milliarden US-Dollar. In den USA waren es 37 Börsengänge mit 10,5 Milliarden Dollar.

Brasilien: Verlorenes Jahrzehnt

Unsicherheit kann eine Volkswirtschaft härter treffen als ein geplanter Shutdown. Darum bemühen sich Politiker weltweit, der Pandemie mit einem konkreten Plan zu begegnen. In Brasilien gelingt das kaum. Während einzelne Regionen Ausgangssperren verhängten, spielte Staatschef Jair Bolsonaro die Gefahr herunter. Investoren macht das nervös.

Brasiliens Wirtschaft soll heuer um 5,3 Prozent einbrechen, erwartet der IWF. Die Regierung erwartet ein Budgetdefizit von acht Prozent der Wirtschaftsleistung. Nun will die Politik Brasiliens Großbanken dazu anhalten, strauchelnde Unternehmen aufzufangen.

Airlines, Energieproduzenten und Großhändler leiden besonders unter dem Shutdown. Für Energieriesen wie Petrobras kommt der abgestürzte Ölpreis erschwerend hinzu. Außerdem mehren sich Berichte über Corona-Fälle auf Bohrinseln. Die Lage ist dramatisch: Der IWF spricht sogar von einem "verlorenen Jahrzehnt" für die Region. Brasilien könnte sich unter die Schlusslichter einreihen.

Thailand: Doppelte Corona-Krise im Schatten Chinas

Am 13. Jänner wurde in Thailand der erste Corona-Fall außerhalb Chinas bestätigt. Sukzessive wurde wie in den meisten betroffenen Ländern das wirtschaftliche und soziale Leben heruntergefahren. Vor allem der wichtige Tourismussektor in Thailand leidet unter den geschlossenen Bars und Reiseverboten.

Trotzdem sticht das Land unter den weniger entwickelten Schwellenländern Asiens hervor: Der IWF rechnet für das Königreich heuer mit einem Wirtschaftseinbruch von 6,7 Prozent. Die Nachbarstaaten kommen im Vergleich glimpflich davon, erwarten Ökonomen. Thailand zieht jährlich nicht nur westliche Touristen, sondern auch rund zehn Millionen Chinesen an.

Die enge Verflechtung mit China erstreckt sich auch auf die Industrieproduktion. Daher spürt man in Thailand die Corona-Krise doppelt: Jetzt, da sich der große Nachbar langsam erholt, kann Thailand seine Wirtschaft trotzdem noch nicht hochfahren.

Tunesien: Gratwanderung der Politik

Die Pandemie trifft auch Entwicklungsländer wie Tunesien schwer. Der nordafrikanische Staat hatte zuletzt pro Kopf die meisten positiv getesteten Covid-19-Patienten auf dem Kontinent. Die Regierung hat Mitte März mit strikten Ausgangssperren reagiert, Besucher müssen in Quarantäne.

Daraufhin kam der Tourismus zum Erliegen, und 400.000 Menschen verloren ihren Job. Die Wirtschaft wird heuer über vier Prozent schrumpfen, erwartet der Internationale Währungsfonds, der einen Notkredit von 745 Mio. Dollar zusagte.

Die Regierung versprach zuletzt potenziellen Gläubigern, Gehälter im öffentlichen Sektor zu beschränken und Subventionen für Strom und Gas zu senken. Eine Gratwanderung für die Politiker: Sparmaßnahmen in diesen Zeiten würden die Bevölkerung hart treffen. Im Dezember waren Straßenproteste wegen der schlechten Wirtschaftslage gewaltsam eskaliert. (Bettina Pfluger, Leopold Stefan, 19.4.2020)