Greta Fernández und ihr echter Vater Eduard Fernández in "A Thief's Daughter", wo sie wiederum Tochter und Vater spielen.

Foto: Crossing Europe

Sara Luna Zorić als aufsässige Alma in "Tak Me Somewhere Nice".

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Es ist ein äußerst eng getacktetes Jobhopping, das der 22-jährigen Sara ihr Auskommen gewährt. An einem einzigen Tag wechselt sie vom Angelerntwerden als Küchenkraft oft direkt hinter die Theke einer Tapas-Bar, schlecht bezahlt sind beide dieser Tätigkeiten. Dazwischen muss die Betreuung des sechs Monate alten Babys noch gesichert werden. Und zu allem Überfluss taucht dann noch Saras Vater Manuel in Barcelona auf, der sich um seine Kinder nie besonders geschert, dafür umso tiefer ins Glas geschaut hat.

"Ich trage ihn im Gesicht", sagt Sara wenig begeistert über ihn. Einer der Mehrwerte von La hija de un ladron (A Thief‘s Daughter) ist, dass dies tatsächlich stimmt: Greta Fernández, die großartig missmutig dreinblicken kann, ist die Tochter des berühmten spanischen Schauspielers Eduard Fernández. Für ihren Part in Belen Funes‘ Debütspielfilm ist sie auf dem Filmfestival von San Sebastian ganz zurecht ausgezeichnet worden: Wie eine proletarische Heldin aus einem Film der Brüder Dardenne ist sie praktisch in jeder Einstellung zu sehen und begegnet dem Leben mit spöttischem Starrsinn: genervt, aber ohne die Fassung zu verlieren.

Latido Films

La hija de un ladron sollte kommende Woche beim Linzer Crossing-Europe-Festival seine Österreichpremiere erleben. Da die Veranstaltung Corona-Virus-bedingt abgesagt werden musste, tut er dies nun als ein Highlight innerhalb einer kleinen Online-Ausgabe. Nach einem Live-Auftakt kommenden Dienstag auf Dorf-TV (20 Uhr), bei dem Michael Pfeifenbergers Porträtfilm Micha Shagrir – A Linzer Candy Boy über den aus Österreich stammenden israelischen Produzenten gezeigt wird, sind ausgewählte Filme des Festivals von Mittwoch an bis 20. Mai als Streaming-Angebot abrufbar.

Festivalleiterin Christine Dollhofer bezeichnet diese "Extracts" als kleines Trostpflaster für das Publikum: "Das kann natürlich kein Ersatz für den Spirit eines Live-Events sein, wo es aktiven Austausch mit den Filmschaffenden gibt." Gezeigt werden zehn von geplanten 157 Filmen, vornehmlich solche, die bereits letztes Jahr Weltpremiere hatten. "Wir haben mehr probiert, aber für viele Filme gab es kein Okay – was auch verständlich ist, weil ganz unterschiedliche Interessen der Weltvertriebe dahinter stehen." Manche würden etwa noch auf einen regulären Kinostart spekulieren, da will man den Film nicht für Video on Demand (VOD) freigeben, so Dollhofer.

Unterschiedliche Festivalstrategien

International gehen Festivals mit den Folgen der Pandemie unterschiedlich um, einige wenige Dokumentarfilmfestivals wie Visions du réel, das kurz nach Linz startet, probieren eine komplette Onlineausgabe. In Österreich wäre das nicht möglich, sagt Dollhofer. "Die Dok-Festivals nutzen spezielle Streaming-Plattformen für professionelles Publikum, dafür bräuchte man mehr Geld." Außerdem würden Filme teils unentgeltlich zur Verfügung gestellt, weil die Festivals ihre Wettbewerbe aufrechterhalten.

Crossing Europe geht‘s mehrgleisig an. Einzelne Programmpunkte wie das Tribute zur Künstlerin Valie Export sollen im September im Rahmen der Ars Electronica nachgeholt werden. Bis dahin gilt es, Reisen virtuell zu planen – auch wenn einem das Bewegungsmotiv des auf europäischen Austausch gepolten Festivals die momentane (Zwangs-) Lage besonders bewusst macht.

International Film Festival Rotterdam

In Take Me Somewhere Nice, der lakonischen und stilistisch eigenwilligen Komödie der bosnischen Regisseurin Ena Sendijarević, kann man der stets leicht gelangweilten Alma (Sara Luna Zorić) aus den Niederlanden in das Land ihrer Eltern folgen. Mit zwei Jungs von vor Ort lässt sie sich eher ziellos durch ein Bosnien treiben, das so aussieht, als hätte es Trashpapst John Waters entworfen: ein Florida-farbenes Niemandsland, wo man fehlende Perspektiven stoisch erträgt oder durch exzessives Im-Kreis-Fahren bekämpft. (Dominik Kamalzadeh, 19.4.2020)