Der Internationale Währungsfonds (IWF) befürchtet die größte Krise seit der Großen Depression der 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts .In Österreich waren im Februar 1933 rund 400.000 Menschen arbeitslos, dazu kamen aber rund 600.000 "Ausgesteuerte", die keine Unterstützung mehr bezogen. Bei einer Bevölkerung von 6,6 Millionen war also eine Million existenziell direkt betroffen.

Kann es wieder so kommen? Nicht in diesem Ausmaß, weil die Regierungen und die Institutionen wie die EZB aus der Geschichte gelernt haben. Doch ohne schwere Verwerfungen wird es nicht abgehen. Der Kreditschutzverband von 1870 (eine Art Ratingagentur für Unternehmen) hat erhoben, dass 24 Prozent aller Unternehmen nur noch für vier Wochen Liquidität haben. Die Aussicht, dass sehr viele der Klein- und Mittelbetriebe (die KMUs machen rund 65 Prozent der unselbstständig Beschäftigten und 60 Prozent der Wertschöpfung aus) den erzwungenen Lockdown nicht überstehen werden, ist real.

Sebastian Kurz, Werner Kogler und Co haben bis jetzt eine Art paternalistische Krisenpolitik betrieben.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

In dieser Situation stellt sich die Frage, ob Türkis-Grün das allein schaffen kann.

Bisher ging es darum, die exponentielle Verbreitung des Virus abzustoppen. Das ist gelungen, vor allem durch die Methode "Gehorsam durch Angst" (Josef Votzi im "Trend"), mit der man die Bevölkerung zur Disziplin brachte. Die zweite Parole war "Was immer es kostet", mit der Milliarden lockergemacht wurden.

Ökologische Wirtschaftspolitik

Das war in der Alarmphase. Nun geht es um überlegte Wirtschaftspolitik. Die diesbezüglichen gedanklichen Grundlagen, mit denen Türkis angetreten ist, haben sich aufgelöst. Da ging es um das "Sparen im System", ein "ausgeglichenes Budget", einen schlanken (Sozial-)Staat, die Zurückdrängung der Gewerkschaften. Diese neokonservative Politik ist erledigt. "Sparen im System" bedeutet Gesundheitsbudget kürzen und Transferleistungen zurückfahren. Das wäre in der Situation der nächsten Jahre blanker Wahnsinn. Die Grünen können sagen, dass sie schon immer eine ökologische Wirtschaftspolitik machen wollten, aber sie sind ja nur Juniorpartner.

Deshalb sollte man ganz dringend überlegen, ob es nicht Zeit ist, das gedankliche Spektrum in der Wirtschaftspolitik weiter aufzumachen. Man muss ja nicht gleich von einer Regierung der nationalen Einheit reden (wenngleich eine solche als letztes Mittel nicht ausgeschlossen ist). Aber es würde zunächst genügen, die großen, in der Regierung nicht vertretenen Teile der Gesellschaft in eine neue Konsenspolitik einzubeziehen: die Sozialdemokratie mit den Gewerkschaften und der intellektuellen Kapazität der Arbeiterkammer sowie der Erfahrung im erfolgreichen Management der Hauptstadt; die Neos als Vertreter der (gesellschafts- und wirtschaftspolitisch) liberal denkenden Mittelschicht. Und wenn die Freiheitlichen einmal etwas Vernünftiges beizutragen hätten außer Einsperrfantasien, dann kann man auch sie einbeziehen.

Sebastian Kurz, Werner Kogler und Co haben bis jetzt eine Art paternalistische Krisenpolitik betrieben. Bisher ging es ums Bravsein. Jetzt geht’s ums Klugsein. Die Politik der Konfrontation ist unter dem Vorzeichen einer vom Virus angesteckten Wirtschaft fehl am Platz. Es ist wieder Zeit für Konsenspolitik. (Hans Rauscher, 17.4.2020)