Bundeskanzler Sebastian Kurz.

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In den Medien erfreute sich heuer die Kombination von Auferstehung und Virus besonderer Beliebtheit. Eine solche Chance kommt – ein Impfstoff vorausgesetzt – vielleicht nicht wieder, warum sie also liegenlassen? Der Bundeskanzler hat in seiner Osterbotschaft an die Lieben Österreicherinnen und Österreicher beide Phänomene in den einleitenden Sätzen zusammengeschweißt: Unser Osterfest findet heuer unter besonderen Umständen statt. Die Corona-Krise ist für uns alle eine große Herausforderung. So weit waren sich die beiden Hauptprofiteure seiner Medienförderung, "Kronen Zeitung" und "Österreich", in der Wiedergabe noch einig. Aber schon beim nächsten Satz kam es zu Abweichungen im Text, deren Deutung nicht ganz leicht fällt.

Es folgte eine lange Passage von hohem Neuigkeitswert. Wir haben es mit einer Bedrohung zu tun, die neu für uns ist. Ein bis vor kurzem noch unbekanntes Virus, das sehr ansteckend ist und das für viele Menschen Krankheit, Leid und Tod bedeutet. Wir haben es dadurch auch mit einer globalen Krise zu tun, wie wir sie lange nicht erlebt haben: Millionen Infizierte, bald hunderttausende Tote sowie Ausnahmezustand und überforderte Gesundheitssysteme in vielen Teilen der Welt – auch in Europa.

Einfach nicht da. Wie kann das sein?

Eine apokalyptische Schilderung der uns umtosenden Gefahren, deren sich jede Österreicherin, jeder Österreicher unbedingt bewusst sein muss. Und doch fehlte diese Passage in der "Krone". Einfach nicht da. Wie kann das sein? Hat Wolfgang Fellner den eher trockenen Text, an dem der Bundeskanzler sicher einige Nächte lang im amtlichen Feldbett gefeilt hat, eigenhändig aufgepeppt, um seine feinsinnige Leserschaft endzeitlich einzustimmen? Oder hat "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand diese Sätze eiskalt herauszensuriert, weil er sich vom Kanzler nicht in das Geschäft mit der Panikmache hineinpfuschen lassen will? Und das war noch lange nicht alles an Zensur.

An eine kurze Darstellung der ruhmreichen Taten des Kanzlers schloss sich der Satz: Ich weiß, dass uns das viel abverlangt hat. Aber dieser Weg war und ist notwendig, um das Schlimmste zu verhindern. Die "Kronen-Zeitung" hielt dies offenbar nicht glaubwürdig genug, um es zu veröffentlichen. Es war Medienmogul Fellner, dem Liebhaber des Boulevards die Überlieferung dieses Satzes an die Nachwelt zu verdanken haben.

Sogar Kanzlers Vertröstung auf eine Zeit, bis ein wirksames Medikament oder eine Schutzimpfung gefunden sind, war der "Krone" zu windig. Ja, selbst zeitlich näheren Versprechungen traute das Blatt nicht, etwa der: Ab nächster Woche werden wir daher beginnen, kleinere Geschäfte – unter strengen Auflagen – wieder zu öffnen. In den kommenden Monaten sollen dann schrittweise alle anderen Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens wieder hochgefahren werden. Entlang dieses Weges werden wir unser Verhalten adaptieren müssen. Wir werden Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen, Menschenansammlungen vermeiden und weiterhin von zu Hause arbeiten, wo immer es möglich ist.

Verquickung von Journalismus und Profit

Vielleicht hätte die "Krone" lieber eine Verlängerung der strengen Quarantäne gewünscht, wenn es besser fürs Geschäft ist. Aber einem Blatt von ihrem Niveau ist eine derartige Verquickung von Journalismus und Profit eigentlich nicht zuzutrauen. Fellner ist vor dem Abdruck dieser Passage schließlich auch nicht zurückgeschreckt.

Geradezu verantwortungslos handelte die "Krone" als Zensor des Kanzlers, wo dieser als Arzt am Krankenbett der lieben Österreicherinnen und Österreicher aufklärend handelte. Manche Menschen fragen sich vielleicht: Ich bin ja gesund, wie soll ich jemanden anderen anstecken? Aber die Wahrheit ist: Vier von fünf Corona-Infizierten haben keine Symptome und wissen daher nicht, dass sie krank sind. Sie können aber dennoch andere Menschen anstecken, für die die Krankheit vielleicht tödlich ist. Das ist ein Grund, warum das Virus für unsere Gesellschaft so gefährlich ist.

Wer weiß, wie viele Corona-infizierte "Krone"-Leserinnen und -Leser andere Menschen angesteckt haben, weil ihnen ihr Leibblatt diese Warnung vorenthalten hat. Nur noch mit seelischer Grausamkeit ist es zu erklären, dass die "Krone" kein Erbarmen mit familiärem Leid hatte. Auch mir fällt es schwer, nicht mit meinen Eltern, meiner Großmutter und der gesamten Familie zu feiern. Dieses Bekenntnis hätte man doch stehenlassen können. Kurz sollte Geld zurückverlangen. (Günter Traxler, 19.4.2020)