Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass die Regierung in der Corona-Krise Fehler gemacht hat und weiterhin macht. Auch wenn die meisten Maßnahmen wohl zielführend sind und die Bevölkerung in Umfragen mehrheitlich zustimmt, bleiben etliche unschöne Details.

Diese Details sind keineswegs unerheblich. Immer mehr Verfassungsjuristen kritisieren beispielsweise den umfassenden Anspruch der Einschränkungen. Und sensible Bürger beginnen, sich mit Grundsätzlichem auseinanderzusetzen: Es mag ja vernünftig sein, keine Versammlungen zu besuchen, und es ist etwa von der SPÖ höchst einsichtsvoll, dass sie ohne zu zögern ihren Maiaufmarsch abgesagt hat. Im Mai 1986, als die Tschernobyl-Wolke radioaktiven Fallout abgeregnet hat, hat ihr diese Einsicht noch gefehlt.

Das Parlamentsausweichquartier in der Wiener Hofburg.
Foto: APA/ROBERT JÄGER

Andererseits ist das Versammlungsrecht ein Grundrecht, über das Regierung und Parlamentsmehrheit nicht so einfach verfügen können. Apropos Parlamentsmehrheit: Man muss kein Freund von FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sein, um ihm mit seiner Kritik an der "Friß Vogel oder stirb"-Vorgangsweise der Koalition recht zu geben. In normalen Zeiten wäre es ein Skandal, wenn die Regierungsmehrheit umfassende Gesetzespakete hinschmeißt und ultimativ deren Beschlussfassung im nationalen Schulterschluss verlangt. Es ist auch in Notzeiten ein Skandal.

Nur verstehen das wenige. Wie überhaupt die sachliche Kritik am Vorgehen der Regierung teilweise einer Erklärung bedarf, die bei aller Berechtigung wenig Gehör findet.

Zu kompliziert, das alles. Nicht mediengerecht.

Und schon gar nicht populär: Wer jetzt kritisiert, steht leicht als Nörgler da – und dennoch müssen die Oppositionspolitiker diese undankbare Aufgabe übernehmen. Denn Kritik ist keine Majestätsbeleidigung. Wir haben keine Majestät. Der Souverän ist das Volk. Und dem muss man die Problematik des Regierungshandelns näherbringen. (Conrad Seidl, 18.4.2020)