Die Regierung gibt Pressekonferenzen am laufenden Band, in denen sie erklärt, was alles wieder möglich ist. Golfen zum Beispiel, Tennisspielen, Training für Spitzensportler, im Kulturbereich wird schrittweise geöffnet – und der Handel darf sowieso nach und nach wieder aufsperren. Für all das gibt es Konzepte, mehr oder weniger klar kommunizierte Wege zurück zu einer (wenn auch eingeschränkten) Normalität. Aber hätte irgendjemand in der vergangenen Woche auch nur einen Halbsatz darüber verlauten lassen, wie es für Millionen Kinder und Jugendliche im Land ab Mai weitergehen soll?

Die Kindergartenöffnung ist weiter unklar, ebenso, wann eine größere Anzahl von Kindern wieder die Volksschulen besuchen darf. Matura soll es geben, ja, aber wie ist das mit der Vorbereitung dafür? Schularbeiten, ja oder nein? Wie wird überhaupt benotet? Wie wird sich die weitere Ausbildung von Lehrlingen gestalten? Und, nicht zuletzt: Wie, stellt man sich vor, soll das mit den sozialen Kontakten für Kinder weitergehen?

Setzen wir mit den Schulschließungen die Zukunft unserer Kinder aufs Spiel? Darüber diskutierten bei "STANDARD mitreden" diese Woche der Public-Health-Experte Martin Sprenger, die Schuldirektorin Martina Dedic und die Intensivmedizinerin Barbara Friesenecker.
DER STANDARD

Der Mensch ist ein soziales Wesen, Freundinnen und Freunde sind wichtig, der Austausch mit ihnen ist für das psychische Wohl bedeutend. Dieser Austausch passiert zumeist auch über Bewegung, häufig im Rahmen von Mannschaftssportarten. Auch das sollte man mitbedenken. Es ist vielleicht für die meisten Menschen in Österreich weniger entscheidend, ob die Fußball-Bundesliga bald Geisterspiele ohne Zuschauer veranstalten darf. Wesentlich interessanter und für den Alltag relevanter ist, ab wann und zu wievielt der Nachwuchs im Park oder im Verein wieder kicken darf.

Stufenweise Schulöffnung

Es mag sein, dass für all das bereits ausgeklügelte Pläne im Bildungsministerium existieren, bloß: Mitgeteilt wurden sie noch nicht. Und mit der Mitteilung allein wird es nicht getan sein – man muss auch darüber diskutieren (dürfen). Die gesundheitspolitische Evidenz für flächendeckende Schulschließungen ist unter Expertinnen und Experten zumindest umstritten. Public-Health-Experte Martin Sprenger etwa, einst Mitglied des Krisenstabs, empfiehlt dringend, Schulen und Kindergärten wieder aufzusperren. Auch eine stufenweise Schulöffnung sollte überlegt werden, damit sich nicht zu viele Kinder auf einmal auf den Schulweg machen.

Die Warnungen von Lehrerinnen und Lehrern und Direktorinnen und Direktoren, dass sie einen erklecklichen Anteil ihrer Schülerinnen und Schüler, vor allem aus sozial schwächeren Familien, gar nicht mehr erreichen, die Hilferufe von Eltern, die mit der Heimbeschulung überfordert sind, bleiben von Regierungsseite unkommentiert.

Der ehemalige Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka ätzte kürzlich auf Twitter sogar über Eltern, die sich darüber beklagten, dass ihre Kinder nun ständig zu Hause seien. Im gehobenen Bürgertum mag Hauslehrertum ja immer noch ein taugliches Konzept sein. Für viele andere im Land wird es aber schön langsam zäh – und die Zeit verrinnt. Es ist auch wertvolle Zeit, in der Jugendliche aus prekären Verhältnissen immer weiter aus dem Bildungsweg hinausdriften.

Schon jetzt trifft die Corona-Jobkrise junge Leute besonders hart. Jeder Zehnte unter 25 Jahren hat laut Wifo bereits seinen Job verloren. Es ist höchste Zeit, dass die Regierung einen Fokus auf die Jüngeren im Land legt. Sie muss klar sagen, wie es weitergehen soll – und auch entsprechende Hilfen für Familien bereitstellen, die sich mit der Bewältigung der Krise schwertun. (Petra Stuiber, 18.4.2020)