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Die Krise in Europa dauert erst einige Wochen, aber inzwischen gibt es die ersten Vorschläge dazu, wie die Kosten verteilt werden könnten.

Foto: Reuters / Denis Balibouse

8000.000.000.000 Euro soll der Stillstand durch die Corona-Pandemie in diesem Jahr global kosten. In Worten: acht Billionen Euro. Das ist der vom Internationalen Währungsfonds berechnete Wert der nicht produzierten Autos, nicht abgeschnittenen Haare und nicht geschauten Filme, die eine Folge des globalen Lockdowns sind.

Das sind aber nicht die einzigen Kosten. Hinzu kommen noch einmal sieben Billionen Euro, die von Staaten ausgegeben werden, um Arbeitsplätze zu retten und Unternehmen aufzufangen. Zusammen ergibt das eine massive Umlenkung von Ressourcen.

Die Frage, die sich angesichts dieser Dimension stellt, ist: Wer zahlt die Zeche? Darauf gibt es mehrere Antworten. Eine lautet: niemand. Es klingt auf den ersten Blick abstrus, ist aber aus heutiger Sicht nicht ganz unplausibel. Weltweit kommen derzeit vor allem reiche Länder wie die USA, Japan, Deutschland und Österreich günstig an Kredite, fast zum Nullzins. Diese Länder können sich also massiv verschulden, werden das aber kaum spüren, solange sie ihre Kredite immer wieder ebenso günstig erneuern können.

Als Folge des wirtschaftlichen Stillstands wissen viele Investoren aktuell ohnehin nicht, wohin mit ihrem Geld. Neue Fabriken werden auf absehbare Zeit nicht gebaut werden. Viele, die es sich leisten können, werden also lieber erst einmal sparen. Dieses überschüssige Kapital führt dazu, dass der Preis des Geldes, der Zins, noch längere Zeit sehr niedrig bleiben wird. Mit etwas Glück könnte eine Kombination aus niedrigen Zinsen und moderatem Wirtschaftswachstum in den nächsten fünf bis zehn Jahren dafür sorgen, dass die so schnell gewachsene Schuldenlast mit der Zeit wieder von selbst abnimmt.

Und wenn wir nicht soviel Glück haben...

Aber es muss nicht so kommen. Was, wenn die Wirtschaft wieder rund läuft und die Inflation zulegt? Dann würden auch die Zinsen steigen, der gewaltige Schuldenturm würde sich massiv verteuern. Hinzu kommt, dass auch in den nächsten Jahren teure Investitionen anstehen, insbesondere für den Klimaschutz. All das würde weiter Geld verschlingen, das irgendwo herkommen muss.

Es kann also sein, dass dann, wenn die Corona-Pandemie abgeflaut ist, rasch eine Debatte darüber einsetzen wird, woher der Staat das zusätzlich Geld nehmen soll. Sollen wir sparen oder Steuern erhöhen? Eng mit dieser Frage verknüpft sind die erwarteten Auswirkungen der Krise auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen.

Kaum einer hat sich mit dieser Frage historisch so sehr beschäftigt wie Walter Scheidel, Wirtschaftshistoriker an der Stanford-Universität. In der Geschichte sank die Ungleichheit durch große Krisen. Bei der aktuellen ist das anders. "Aus heutiger Sicht dürfte die Einkommensschere durch die Corona-Krise aufgehen", sagt Scheidel.

Die gute Nachricht: Nur die allerschlimmsten Katastrophen wie die Pest, Kriege und Revolutionen hatten einen ausgleichenden Effekt auf die Einkommen. Damals wurden große Vermögen vernichtet und jene Arbeitskräfte, die überlebt haben, konnten sich bessere Konditionen aushandeln, weil Menschen gefehlt haben. Die Ungleichheit sank dadurch, aber das allgemeine Wohlstandsniveau war gefallen.

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Amazon-Chef Jeff Bezos ist einer der reichsten Männer der Welt – und ein klarer Krisengewinner. Sein Vermögen hat um 24 Milliarden US-Dollar seit Ausbruch der Corona-Pandemie zugelegt, laut Bloomberg. Sein Gesamtvermögen wird auf 138 Milliarden Dollar geschätzt.
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Das erwartet Scheidel heute nicht: So tragisch die aktuelle Corona-Pandemie ist, die Todesrate sei im historischen Vergleich zum Glück gering. Die rasche Antwort auf die Pandemie sowie die üppigen Hilfspakete für die Wirtschaft haben gewirkt, meint Scheidel. Ohne große Katastrophe sinke aber auch nicht die soziale Ungleichheit.

Auch erste Untersuchungen aus Österreich deuten darauf hin, dass die Kluft bei den Arbeitseinkommen eher größer wird. Eine Gruppe von Forschern der Universität Wien befragt in regelmäßigen Abständen 1500 Bürger dazu, wie es ihnen in der Corona-Krise geht. Ein Schwerpunkt sind die Auswirkungen auf Einkommen und Jobmarkt. Jene Haushalte, die schon vor der Krise wenig hatten, haben tendenziell stärker verloren, geht aus dieser repräsentativen Befragung hervor. So gibt es nun deutlich mehr Haushalte, die mit einem Einkommen von weniger als 1100 Euro im Monat auskommen müssen.

Um diesem Mix aus hohen Kosten und einer möglicherweise steigenden Ungleichheit entgegenzuwirken, gibt es bereits eine Reihe von konkreten Vorschlägen. Sie kommen aktuell vor allem von linken Ökonomen, NGOs und Verbänden. Was alle Ideen eint, ist der Ruf nach höheren Steuern für Vermögende. Die Alternative, so ist die Befürchtung in dieser Gruppe, wäre ein Sparkurs auf Kosten jener Menschen, die sich am wenigsten wehren können. Das sind die Niedrigverdiener und die Ärmeren. Das Argument geht etwa so: Wenn wir jetzt nicht Vermögende zur Kasse bitten, dann wird am Ende des Tages die Zeche für die Krise von der vielgelobten Supermarktkassiererin bezahlt werden. Sei es über Kürzungen bei Sozial- und Familienleistungen oder bei Pensionen.

Idee 1: Eine moderate Steuer

Einer der interessanteren Vorschläge kommt von den Ökonomen Gabriel Zucman und Emmanuel Saez, beide forschen an der University Berkeley in Kalifornien. Sie schlagen vor, eine europäische Vermögenssteuer einzuführen. Treffen würde es das eine Prozent der Reichsten. Vermögen unter zwei Millionen Euro blieben steuerfrei, darüber würde für jeden Euro eine Abgabe in Höhe von einem Prozent anfallen. Bei Vermögen über acht Millionen würde die Abgabe auf zwei Prozent steigen. Für Milliardäre wäre sie drei Prozent.

Der Ökonom Matthias Schnetzer von der Arbeiterkammer hat berechnet, was dieser Vorschlag für Österreich bedeuten würde. Als Basis dienten ihm die Vermögensdaten aus Erhebungen der Oesterreichischen Nationalbank. Je nachdem, wie sehr man einberechnet, dass Vermögende versuchen würden, einen Teil ihres Geldes ins Ausland zu schaffen, würde die Steuer zwischen 4,8 und sechs Milliarden Euro im Jahr einbringen. Das ist sechsmal mehr, als die Mindestsicherung im Jahr kostet. Es würde also einiges an Geld zusammenkommen.

Idee 2: Eine radikale Abgabe

Dabei gibt es noch deutlich radikalere Vorschläge: Die Globalisierungskritiker von Attac fordern, Vermögen ab 100 Millionen Euro mit 30 Prozent und Vermögen ab einer Milliarde einmalig sogar mit 60 Prozent zu besteuern.

Die Idee mag neu sein, die Debatte selbst ist es gar nicht. Die Industriestaatenorganisation OECD zeigt in ihren Analysen regelmäßig, dass die Steuerbelastung bei Vermögen in wenigen Ländern so niedrig ist wie in Österreich. Demgegenüber zeigen Erhebungen der Nationalbank, dass die Vermögen im Land sehr ungleich verteilt sind. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt fast 40 Prozent des Nettovermögens.

Trotz dieser Zahlen gab es in den vergangenen Jahren wenig politisches Momentum für eine Änderung. Eine politische Mehrheit für eine Erbschafts- oder Vermögenssteuer gibt es schon seit Jahrzehnten nicht im Land, obwohl SPÖ, Arbeiterkammer und Gewerkschaft das Thema immer wieder aufgegriffen haben.

Die große Frage ist, ob die Pandemie daran etwas ändert. In der jüngeren Geschichte waren es immer große Krisen, meist Kriege, die große Umverteilungsprogramme begründet haben, wie die US-Ökonomen Kenneth Scheve und David Stasavage in ihrem Buch Taxing the Rich zeigen. Wenn die Nation zusammenrücken muss, fällt das Argument, auch die Reichen sollen einen höheren Beitrag leisten, auf fruchtbaren Boden. Vor allem der Erste und der Zweite Weltkrieg seien großen Treiber gewesen.

Idee 3: Recycelter Plan

So ist es wenig verwunderlich, dass in Deutschland aktuell über die Revitalisierung eines alten Plans diskutiert wird: den Lastenausgleich. Das war eine einmalige Abgabe in der Bundesrepublik ab 1952 in Höhe von 50 Prozent auf alle Vermögen, zahlbar in vier jährlichen Raten über einen Zeitraum von 30 Jahren. Der deutsche Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick von der Uni Bonn warb soeben für diese Abgabe in der Zeit.

Natürlich gibt es auch Gegenargumente. Der Ökonom Stephan Schulmeister, selbst kein Feind von Vermögenssteuern, sagt, dass Vorschläge in der Dimension wie jener von Attac unrealistisch sind, und zwar nicht nur politisch, sondern auch technisch. Die Superreichen haben ihr Kapital in Ländereien, Unternehmen und Wertpapieren angelegt.

Um eine Abgabe in Höhe von 30 oder gar 60 Prozent zu finanzieren, müssten sie ihre Wertanlagen versilbern. Bloß: Wer soll das alles kaufen? Infrage kämen nur andere Reiche, die aber die Steuer selbst berappen müssten, wenn es ein internationales Projekt wird. Mit dem Vorschlag der Berkeley-Ökonomen würde es dieses Problem allerdings nicht mehr geben, so Schulmeister.

Dafür sind andere Hindernisse denkbar. Und wenn nur Österreich hohe Vermögensabgaben einführt, dürfte das in einer globalisierten Welt dazu führen, dass das Kapital die Flucht ergreift. Der Großteil des Vermögens der reichsten 20 Prozent der Österreicher ist in Immobilien angelegt – da kann nichts "abwandern". Die Wohlhabendsten, und um die geht es ja in den meisten der Vorschläge, halten aber vor allem Firmenbeteiligungen. Dieses Kapital kann fliehen.

Vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria kommt zudem der generelle Einwand, dass ein großer Teil der heimischen Vermögen in Unternehmen steckt – und diese nun in der Krise voll getroffen werden. Will man sie wirklich noch höher besteuern?, fragt die Agenda Austria.

Idee 4: Generationendeal

Ungleichheit muss man nicht immer durch die Linse von Arm und Reich sehen. Zusätzlich gibt es auch eine Kluft zwischen Generationen. Das zeigte sich bereits nach der Finanz- und Eurokrise: Zwischen Jung und Alt ging die Schere auseinander. Weltweit, auch in Österreich, sind es Junge und Familien, die am häufigsten von Armut betroffen sind, gibt Bernhard Hammer zu bedenken. Der Ökonom am Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat die Einkommensentwicklung seit der letzten Krise untersucht. "Jene, die staatlich garantierten Einkommen hatten, sind besser durch die Krise gekommen", sagt Hammer.

Das betrifft eher ältere Personengruppen: Pensionisten und Arbeitnehmer, die abgesicherte Stellen haben, etwa Beamte. Die Einkommen von 25- bis 49-Jährigen, die vermehrt in prekären Arbeitsverhältnissen sind, kamen dagegen kaum vom Fleck. Die Einkommen der älteren Generation stiegen über den Zeitraum.

Hinzu kam, dass die Antwort der Notenbanken auf die Staatschuldenkrise dazu beitrug, dass Aktien und Immobilien bis zum gegenwärtigen Börsencrash boomten. Auch davon profitierten eher Vermögende und Ältere, die Wertpapiere oder ein Eigenheim besitzen. Für jüngere Menschen wurde es trotz günstiger Kredite schwieriger, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen.

Auch die jetzige Krise dürfte Junge zumindest wirtschaftlich schwerer treffen, schätzt Hammer. Untersuchungen dazu gibt es freilich noch keine. Wenn es darum geht, die Kosten der Krise gerechter zu verteilen, sollte die Politik auch jenen Gruppen einen Beitrag abverlangen, deren Einkommen bisher verschont blieben. Das betrifft etwa die Besserverdiener unter den Pensionisten und Beamten.

Für den Wirtschaftshistoriker Walter Scheidel bleibt es unwahrscheinlich, dass diese Krise in Österreich viel bewirken wird. Die türkis-grüne Regierung ist mit ihrem Krisenmanagement populär, lautet sein Argument. Das zementiert den Status quo eher ein, egal ob es um Erbschaftssteuer oder Pensionen geht. (Leopod Stefan, András Szigetvari, 19.4.2020)