Dieser Kerl da auf dem engen Gehsteig, der so raumfüllend breit daherkommt; diese unbekümmerten Jugendlichen, die mit der Bierflasche in der Hand viel zu nahe beieinanderstehen; diese sture Alte, die in der Straßenbahn nicht und nicht eine Maske aufsetzen will – da verspürt man doch irgendwie den Drang, mit dem Handy diskret ein Foto zu machen und/oder die Polizei zu rufen, nein?

Polizeikontrolle im Wiener Stadtpark.
Foto: imago/Volker Preußer

Meistens lässt man es dann doch. Aber eine gewisse, nicht gar so geringe Zahl von Mitbürgerinnen und Mitbürgern erlebt jetzt das Hochgefühl des Corona-gerechten Vernaderns. Immer schon gab es Bürger, die der Meinung waren, dass die Kinder im Hof nicht so laut sein sollen, der Nachbar sein Auto genau dort nicht abstellen darf und überhaupt Verstöße gegen die natürliche Ordnung des Kleingeistertums unbarmherzig geahndet werden müssen. Jetzt kommt noch die Befriedigung dazu, im Dienste der Volksgesundheit, ja eigentlich der Volksgemeinschaft, tätig zu sein. So zeigte etwa ein Nachbar eines Mutter-Kind-Hauses der Caritas Mütter an, weil sie mit den Kindern Ostereier suchten.

In der unsterblichen "Tante Jolesch" ist die Rede von "Maria Denunziata", dem neuen katholischen Feiertag unter dem christlichen Ständestaat-regime. Und der noch unsterblichere "Herr Karl" erinnert sich an seine Zeit als NS-Blockwart im Gemeindebau: "I hab ja nur versucht, die Leit zu erziehen ..." Mit Corona lebt eine große Tradition wieder auf.(Hans Rauscher, 17.4.2020)