Die stellvertretende Direktorin des Forschungslabors, Shi Zhengli, im Inneren des Labors auf einem Archivfoto.

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Die Debatte um den genauen Ursprung des Coronavirus entwickelt sich allmählich zu einer wahren Propagandaschlacht zwischen den USA und China. Neuerdings betont auch die Beraterin von US-Präsident Donald Trump, die Ärztin Deborah Birx, dass sie nicht ausschließe, was niemand derzeit gesichert ausschließen kann: nämlich, woher das Virus genau stammt. "Ich habe keinen Beweis dafür, dass es ein Unfall in einem Labor war", sagte Birx am Sonntag dem TV-Sender CBS.

Die meisten Wissenschaftler weltweit gehen derzeit von der Theorie aus, dass es von Fledermäusen stammt und direkt oder über ein anderes Tier als Wirt auf den Menschen übergesprungen sein könnte. Zunächst galt ein Tiermarkt in Wuhan als erster Übertragungsort der Zoonose, der Markt wurde daraufhin geschlossen. Später wurde von Teilen der chinesischen Führung die Theorie gestreut, US-Militärs könnten das Virus eingeschleppt haben.

Assoziationen

Weil die Corona-Pandemie in der zentralchinesischen Stadt Wuhan ihren Ursprung hatte und dort erste Erkrankungen auftraten, hatte Trump es seit Beginn der Pandemie immer wieder als Wuhan-Virus oder China-Virus bezeichnet. In den vergangenen Wochen, speziell seit Trumps Attacken bezüglich einer angeblichen Vertuschung seitens China und der Weltgesundheitsorganisation, rückte in den USA immer öfter die sogenannte Labortheorie ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Trump hatte China am Samstag für die weltweite Verbreitung verantwortlich gemacht und Konsequenzen angedroht. Dabei sei entscheidend, ob ein Fehler gemacht worden sei, der außer Kontrolle geriet, oder eine Absicht dahinterstand, sagte Trump.

Dementi Chinas

Tatsächlich häufen sich in den USA Berichte unter Berufung auf amerikanische Geheimdiensterkenntnisse, wonach das Virus aus einem Forschungslabor in China stammen könnte. Demnach soll das Virus im Institut für Virologie in Wuhan versehentlich von einem Mitarbeiter in die Stadt gebracht worden sein. Der Chef des Instituts für Virologie im chinesischen Wuhan – Yuan Zhiming – wies am Wochenende jegliche Vorwürfe im chinesischen Staatsfernsehen brüsk zurück und redete von reinen Spekulationen der US-Medien. "Das Virus ist auf keinen Fall von uns gekommen." Es gebe zudem keine Beweise, die zeigen, dass das Virus künstliche oder synthetische Spuren aufweise, sagte Zhiming. Er wisse, dass dies unmöglich sei. "Wir wissen genau, welche Virus-Forschung in dem Institut vorgeht und wie mit Viren und Proben umgegangen wird", sagte er. Es habe sich niemand im Labor infiziert, auch wenn es verständlich sei, dass der Standort des Labors Assoziationen wecke "Aber es ist schlimm, wenn einige versuchen, die Menschen in die Irre zu führen." Chinas Außenministerium sprach von "wissenschaftlich unbegründeten" Vorwürfen.

Deutschland und Frankreich bremsen

Bis auf den engsten Alliierten der USA – Großbritannien – halten sich große Player der internationalen Bühne bislang eher zurück mit Anschuldigungen, besonders weil die Beweislage schwer bis unmöglich erscheint. Berlin und Paris etwa sagen, sie hätten keine eigenen Erkenntnisse über die Entstehung des Virus. Beweise für die US-Theorien würden fehlen.

Das Wuhan Institut für Virologie verfügt mit mehr als 1.500 Erregerstämmen über die größte Virusbank Asiens. Das Bioforschungslabor wurde 2018 eröffnet und gehört zur höchsten Sicherheitsstufe in ganz Asien, in dem hochansteckende Krankheitserreger wie beispielsweise Ebola-Viren untersucht werden können. Die stellvertretende Direktorin des Forschungslabors, Shi Zhengli, war Co-Autorin jener Studie, wonach Sars-Cov-2 von Fledermäusen stammt. Sie beteuerte in den vergangenen Wochen stets, dass das entschlüsselte Genom nicht identisch mit einem anderen Krankheitserreger im Labor sei (red, APA, 19.4.2020)