Im Online-Zeitalter sind Petitionen einfache und rasche Möglichkeiten, politisch zu partizipieren, sich einzumischen, Forderungen, Anliegen und Unmut auf den Weg zu bringen. Die Klick-Demokratie in Gestalt von Online-Petitionen ist beliebt, stellt sie doch eine beschleunigte direkte Partizipation in Aussicht. Mit dem Slogan "Demokratie geht nicht ohne mich" wirbt zum Beispiel Open Petition – sie tut dies recht erfolgreich, wie die derzeit über 7.400 initiierten Petitionen auf dieser Plattform belegen.

Petitionen gehören zum Kanon moderner politischer Partizipationsrepertoires. Als demokratisches Recht der Bürgerinnen und Bürger, sich an Ämter und politische Akteure zu wenden, sind sie allerdings längst überholt. Die Reform des österreichischen Petitionsrechts in den 1980er-Jahren produzierte zwei an das Parlament gerichtete Instrumente – die parlamentarische Bürgerinitiative, eingebracht von Bürgerinnen oder Bürgern, und die parlamentarische Petition, eingebracht von Abgeordneten. Das Ziel des Gesetzgebers war die stärkere Bindung zwischen Abgeordneten und Elektorat. Diese Instrumente sollten verbinden und gleichzeitig den Aktivitäten der aufkeimenden Zivilgesellschaft einen institutionellen Rahmen gegeben.

Online-Plattformen veränderten den Zugang zu Petitionen, konkret haben sie die Anwendung deutlich vereinfacht und die Partizipation zeitsparend gemacht. Trotz dieser Vorteile nutzen Einzelne sowie zivilgesellschaftliche Organisationen aber weiterhin die institutionalisierten parlamentarischen Bürgerinitiativen und Petitionen (sie sind seit 2011 auch elektronisch unterstützbar). Der Vorteil der institutionellen Verfahren liegt in der Legitimation und Verbindlichkeit. Im Gegensatz dazu kommen Politikerinnen und Politiker sowie politische Parteien verstärkt auf den Geschmack der schnellen Online-Optionen. Auf Online-Petitionen spezialisierte Plattformen begünstigen diese Neigung. Ihre Nutzung ist einfach, die Einleitung voraussetzungsarm. Es gibt kaum gesetzliche und praktische Hürden, die Plattformen erledigen die Durchführung.

Gegen Regierungsentscheidungen

Das Forschungsprojekt "PETICIPATE / Petitionen und Parlamentarische Bürgerinitiativen" untersucht die Attraktivität der drei Petitionsformen – parlamentarische Bürgerinitiativen, parlamentarische Petitionen und Online-Petitionen auf Plattformen. Das Projekt beleuchtete die jeweils 200 unterstützungsstärksten parlamentarischen Bürgerinitiativen und parlamentarischen Petitionen, die im österreichischen Nationalrat behandelt wurden, sowie Online-Petitionen der Plattform Open Petition in Hinblick auf Akteure und thematische Anliegen. Interviews mit Petentinnen und Petenten geben Einblicke in Motive und Funktionen. Das zusammengefasste Ergebnis: Entsprechend den prozeduralen Bedingungen werden parlamentarische Bürgerinitiativen nahezu ausschließlich von Bürgerinnen und Bürgern genutzt, um Anliegen an die Legislative oder Exekutive eine Stimme zu geben. Parlamentarische Petitionen hingegen sind in den Händen von Abgeordneten – mit dem Ziel, dem Wahlkreis vor Ort zu demonstrieren, dass ihre Interessen im Parlament vertreten werden. Im Gegensatz dazu liegt der Zweck der Online-Petitionen in der Herstellung von Öffentlichkeit, in der Kampagnenführung und der Mobilisierung von Menschen beziehungsweise politischen Parteien/Abgeordneten.

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Sind Online-Petitionen attraktiver als klassische?
Foto: AP Photo/Elise Amendola

Die Online-Petition ist kein direkt-demokratisches Instrument, dessen Anwendung und Ablauf geregelt wäre, sondern es ist ein Protestinstrument. Online-Petitionen sind von Unbehagen, Widerspruch und Widerstand getrieben. Diese richten sich gegen Entscheidungen des Parlaments, zum größten Teil aber gegen Entscheidungen der Regierung. Auffällig ist, dass Online-Petitionen eher selten neue politische Forderungen erheben – sie sind vielmehr gegen etwas gerichtet, aber nicht für etwas. Folglich sind es meist zivilgesellschaftliche Initiativen, die Online-Petitionen lancieren. Auffallend aber ist, dass Politikerinnen, Mandats- und Funktionsträger das Terrain zunehmend erweiterten und dieses Instrument für sich beanspruchen.

Zwei Beispiele

Ein jüngstes Beispiel ist die Online-Petition der FPÖ, die GIS-Gebühren des ORF abzuschaffen, welche über die parteieigene Plattform lief. Andere Online-Petitionen werden von externen Plattformen organisiert und können die Funktionen dieses Instruments in Händen von politischen Akteuren gut veranschaulichen, wie zwei Beispiele zeigen:

Die Online-Petition "Deutsch am Pausenhof" startete der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) im Oktober 2018. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die FPÖ Teil der österreichischen Bundesregierung war und im Nationalrat über eine Mandatsmehrheit mit der ÖVP verfügte, wurde diese Option gewählt. Eine Landesorganisation adressierte die Öffentlichkeit und übte gleichzeitig Druck auf den ÖVP-Bildungsminister aus. Die technisch einfache Handhabung erlaubte es, die Online-Petition mit anderen parteieigenen Kommunikationskanälen, etwa FPÖ-TV, zu kombinieren und so die Aufmerksamkeit eines langjährigen Parteianliegens zu intensivieren.

Ähnliches gilt für die Online-Petition "Ausbildung statt Abschiebung", die der damalige oberösterreichische Landesrat Rudolf Anschober (Grüne) im November 2017 initiierte. Auch diese versuchte für ein Thema Öffentlichkeit herzustellen und politischen Druck aufzubauen. Allerdings geschah dies von einem im politischen Entscheidungsprozess des Bundes marginalisierten Akteur, dem oberösterreichischen Landesrat, der damals keine Abgeordneten im Nationalrat einsetzen konnte.

Für beide Online-Petitionen ist die Kampagne das Mittel, das politische Ziel Aufmerksamkeit und Druck aufzubauen. Im ersten Fall den sogenannten "Bürgerwillen" für ihre Anliegen sprechen zu lassen und dies anhand von Unterschriften zu untermauern (Online-Petition Haimbuchner). Im zweiten Fall mit Verweisen auf den sogenannten "gemeinsamen Willen", der sich in Unterstützungszahlen von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von Prominenten des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens manifestieren sollte. Denn es war noch nie so einfach, den Menschen vom "Burgenland bis zum Bregenzerwald" die Möglichkeit zu bieten, sich zu beteiligen (Online-Petition Anschober).

Medien und Mobilisierung

Online-Petitionen in den Händen der institutionellen Politik ergänzen die parlamentarischen Petitionsinstrumente. Ihnen geht es primär um die mediale Präsenz – um für ihre Zwecke zu mobilisieren, müsste man kritisch ergänzen – denn um den geregelten, kontrollierten Weg von Anliegen aus der Basis ins Parlament. Gleichzeitig erlauben die Online-Petitionen über Plattformen den organisatorischen und prozeduralen Aufwand, den direkt-demokratische Instrumente verursachen würden, zu umgehen. Sie sind unbürokratischer in der Handhabung, aber die indirekten Effekte sind ähnlich, nämlich öffentlich präsent zu sein und zu mobilisieren, sei es Teile der Gesellschaft, sei es Teile der repräsentativen Politik.

Petitionen jeglicher Art gehören mehr und mehr zum politischen Partizipationsalltag. Die Effekte und Funktionen hängen aber wesentlich davon ab, ob sie von politischen Eliten oder zivilgesellschaftlichen Initiativen lanciert werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen drücken mit ihnen ihre Stimme aus, politische Akteure nutzen sie für Präsenz und zur Mobilisierung für Anliegen, frei nach dem Motto: "Demokratie (von unten) geht nicht ohne mich!" (Elio Dalpra, Sieglinde Rosenberger, 22.4.2020)