Südafrikas Geduld mit Lesotho scheint nach Monaten eines chaotischen Machtkampfs im kleinen Gebirgskönigreich am Ende zu sein. Am Sonntag traf jedenfalls ein Gesandter des südafrikanischen Präsidenten und Vorsitzenden der Afrikanischen Union, Cyril Ramaphosa, in Lesothos Hauptstadt Maseru ein.

Der ehemalige Minister Jeff Radebe soll mit seiner Vermittlung dafür sorgen, dass in der Enklave inmitten Südafrikas wieder etwas mehr politische Stabilität einkehrt. Zu der Delegation gehören auch die Vizeministerin für internationale Beziehungen, Candith Mashego-Dlamini, und der Vizeminister für Staatssicherheit, Zizi Kodwa.

Die Koalitionsregierung unterzeichnete am Montag ein Abkommen über einen "würdigen" Rückzug Regierungschef Thomas Thabanes, ohne allerdings ein genaues Datum festzulegen.

Jeff Radebe soll in Lesotho für Ordnung sorgen.
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Mord an Ehefrau Auslöser der Krise

Die politischen Parteien des Landes versuchen seit geraumer Zeit, den loszuwerden – auch ein großer Teil seiner eigenen, der All Basotho Convention (ABC). Dem 80-jährigen Thabane wird vorgeworfen, an der Ermordung seiner zweiten Ehefrau im Jahr 2017 beteiligt gewesen zu sein. Lipolelo Thabane war zwei Tage vor der neuerlichen Angelobung des Premiers in ihrem Auto erschossen worden. Vorangegangen war ein langer Scheidungskrieg, Lipolelo verweigerte die Einwilligung, weil sie auf ihrer Position als First Lady bestand. Zwei Monate nach dem Mord heiratete Thomas Thabane seine dritte Frau Maesaiah. Auch dieser wird der Mord an ihrer Vorgängerin zur Last gelegt.

Verfassungsgericht kippt Aussetzung des Parlaments

Am vergangenen Wochenende überschlugen sich die Ereignisse in Lesotho. Am Freitag kassierte das Verfassungsgericht den Erlass Thabanes zur Kaltstellung des Parlaments. Der Premier hatte im Zuge der Corona-Krise eine Prorogation des Parlaments für drei Monate verfügt – tatsächlich verhinderte er damit ein Misstrauensvotum gegen ihn. Gegen die Vertagung gingen Vertreter der Regierungs- und Oppositionsparteien gemeinsam vor und setzten sich damit durch: Die Verfassungsrichter bezeichneten den Erlass zur Prorogation als "irrational".

Noch am Freitag erklärten die Botschafter und Vertreter der EU, Südafrikas, Großbritanniens und der USA in Lesotho in einer gemeinsam veröffentlichten Stellungnahme, in Zeiten des Kampfes gegen das Coronavirus sei der Erhalt der Stabilität und des Rechtsstaats für Lesotho so wichtig wie nie zuvor. Christian Manahl, Sello Moloto, Anne Macro und Rebecca Gonzales forderten in ihrem Schreiben einen "gemeinsamen Ansatz mit Priorität für den Schutz der Bürger und die Sicherstellung grundlegender Dienste". Destabilisierende Handlungen könnten für Generation von Basothos katastrophal sein, deswegen sei dies die Zeit für alle Anführer, im nationalen Interesse zusammenzuarbeiten, schrieben die diplomatischen Vertreter.

"Schurkische Elemente"

Als Reaktion ließ Thabane am Samstag die Armee auffahren, um "gegen schurkische Elemente die Ordnung wiederherzustellen". Die Armee habe die Anweisung, gegen die Personen und Institutionen vorzugehen, die den Rechtsstaat untergraben und sich hinter Gerichten, der Redefreiheit und den Menschenrechten verstecken, erklärte der Premier in einer Ansprache.

Der Armeechef Mojalefa Letsoela wurde beim Betreten des Polizeihauptquartiers gesehen. Danach wurde unter Berufung auf einen Regierungsvertreter berichtet, Letsoela habe den Polizeichef Holomo Molibeli und dessen Stellvertreter Paseka Mokete verhaftet. Anderen Berichten zufolge berieten die Spitzen von Armee und Polizei über das weitere Vorgehen.

Am Samstag patrouillierte in Lesothos Hauptstadt Maseru das Militär.
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Sonntagfrüh kehrten die Soldaten wieder in ihre Kasernen zurück.
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Anruf vom Tatort

Der Polizeichef ist eine zentrale Figur in der Affäre um die Mordermittlungen gegen den Premier. Molibeli hatte Thabane am Tag vor Weihnachten in einem Brief aufgefordert, Fragen zum Mordfall zu beantworten. Die Untersuchung habe ergeben, dass vom Tatort aus ein Mobiltelefon angerufen wurde. "Die Nummer dieses Telefons ist ihre", schrieb der Polizeichef an den Premier.

Thabanes Reaktion: Er feuerte Molibeli Anfang Jänner. In einem Brief an König Letsie III. erklärte der Premier, Molibeli sei zurückgetreten. Molibeli jedoch ging gegen seine Entlassung gerichtlich vor und bekam recht. In der Folge versuchten sich sowohl Maesaiah als auch Thomas Thabane der Strafverfolgung durch das Ignorieren von Gerichtsvorladungen zu entziehen. Der Premier pocht überdies auf die Immunität seines Amtes. Für 31. Juli hat er jedoch seinen Rücktritt angekündigt.

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Bogen überspannt

Mit dem Versuch einer militärischen Machtdemonstration dürfte Thabane nun den Bogen überspannt haben. Bis Sonntagmorgen waren die Soldaten wieder in ihre Unterkünfte zurückgekehrt. Ramaphosas Gesandter Radebe traf noch am Sonntag mit Vertretern der Regierung, der Zivilgesellschaft und Diplomaten zusammen. Am Montag steht ein Besuch bei König Letsie III. und den Spitzen der Sicherheitskräfte auf dem Programm. Eine für Sonntag geplante Ansprache Thabanes wurde verschoben und soll nun nach Ende der Beratungen Radebes stattfinden. Auch das Parlament wollte zunächst noch am Sonntag tagen und wird nun im Lauf der Woche zusammentreten.

Thomas Thabane dürfte den Machtkampf verlieren.
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Damit dürfte das Ende der Regierung Thabanes besiegelt sein: Die abtrünnigen Teile des ABC haben sich längst mit Vertretern anderer Parteien auf eine neue Koalitionsregierung geeinigt, einem Misstrauensvotum stünde damit nichts mehr im Wege. Danach kann der König den Premier auf Antrag des Staatsrats entlassen. (Michael Vosatka, 20.4.2020)