Vizekanzler Werner Kogler und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek präsentierten am vergangenen Freitag bloß eine "Öffnungsmöglichkeitsillusion" und eine "Probenermöglichungsillusion", kritisiert SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda. Die soziale Frage sei drängender denn je. Autor und Regisseur Kurt Palm fordert in einem weiteren Gastkommentar eine massive Aufstockung der Hilfsfonds.

Der aktuellen Kunst- und Kulturpolitik fehlt es an Leidenschaft, Professionalität und Mut. Dafür bleibt vieles im Unklaren. Das zumindest hat die Pressekonferenz mit dem lautmalerischen Titel "Aktuelles im Bereich Kunst und Kultur sowie Veranstaltungen im Allgemeinen" ein für alle Mal klar gemacht. Obwohl es bei der Pressekonferenz von Vizekanzler Werner Kogler und Staatssekretärin Ulrike Lunacek um die schrittweise Lockerung der Corona-Maßnahmen gehen sollte, stellt sich bei vielen Kunst- und Kulturschaffenden das Gefühl ein, dass es schwierig bleibt und zunehmend schwieriger wird.

Verhaltene Hilfe von Staatssekretärin Lunacek.
Foto: Imago / Eibner

Vor Beginn der Krise gab es Diskussionen darüber, welchen Stellenwert die neue Regierung der Kunst und Kultur einräumen werde. Viele zeigten sich erfreut, dass das türkise Wirken in dem Bereich zu Ende war. Es gab aber auch kritische Stimmen. Sie argumentierten, dass die Abschaffung des Ministeriums und die Berufung einer ausgewiesenen Europaexpertin statt Eva Blimlinger als Staatssekretärin schon ein heftiges Signal sei. Ein Signal dafür, dass die Kunst und Kultur nunmehr als Edelkomparserie fungiert. Ich finde, dass sich diese Positionen mehr ergänzen denn widersprechen. In Sonntagsreden wurde und wird die Bedeutung von Kunst und Kultur, um ihrer selbst und der österreichischen Wirtschaft willen, gerne betont. Jetzt gilt es, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Bei allem Verständnis für die Dimensionen der Krise brauchen die Betroffenen jetzt Sicherheit und Orientierung.

Offene Fragen

"Ungeduld begleitet wahre Leiden", heißt es bei Shakespeares Heinrich VI. Die Ungeduld und der Unmut sind vielfach Ausdruck des aktuellen Leidens und berechtigt. Während die Regierung keine Chance der Inszenierung auslässt, wird vonseiten der Kunst- und Kulturpolitik wenig informiert. Wenn doch, bleiben viele Fragen offen. Nehmen wir zum Beispiel die Dichte der Menschen bei Veranstaltungen aller Art, inklusive Museumsbesuchen. Wurde das sorgsam durchdacht, oder hat man hier einfach die Regelung für Verkaufsflächen übernommen? Pro Person sollen 20 Quadratmeter parat stehen. Sehr wohlhabende Menschen könnten sich einen Privatbesuch gönnen, aber das sind recht wenige. Für die meisten Kulturveranstaltungen bedeutet es schlichtweg, dass es wirtschaftlich keinen Sinn macht, für so wenig Publikum die Tore zu öffnen. Genau genommen handelt es sich daher in den meisten Fällen um eine bloße Öffnungsmöglichkeitsillusion.

Auch die von Kogler und Lunacek anvisierte Probenregelung wirft weitere Fragen auf. Handelt es sich um eine gewagte Intervention der Politik zur Förderung von Ein-Personen-Stücken in Theater und Oper? Will man gar Nikolaus Habjan und seine genialischen Puppen ins Burnout treiben? Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist es nur schwer vorstellbar, Theater- und Musikproben abzuhalten. Es handelt sich also genau genommen um eine Probenermöglichungsillusion.

Bedrohte Existenzen

Auch eine durch das Virus herbeigeführte Krise hat eine soziale Dimension. Sie ist nicht demokratisch. Sie trifft Ärmere stärker als Wohlhabende. Die Regierung hat mit den Sozialpartnern die Kurzarbeit ermöglicht und hilft damit rund 900.000 Menschen. Für unzählige Künstlerinnen und Künstler und viele andere, die in der Kreativwirtschaft tätig sind, besteht diese Möglichkeit aber nicht. Wenn ihre unregelmäßigen und oftmals niedrigen Honorare wegfallen, sind schnell Existenzen bedroht. Der Härtefallfonds ist leider so aufgesetzt, dass der Zugang oft schwierig bis unmöglich ist. Beispielsweise können die Einkünfte großen Schwankungen unterliegen, und der Vorjahresvergleich macht daher wenig Sinn. Selbst in Bereichen, wo das grüne Spitzenduo im eigenen Ressort Weichen stellen könnte, hakt es nach wie vor.

Das beste Beispiel ist der Sozialversicherungsfonds für Künstlerinnen und Künstler. Bisher wurde erst ein Viertel der Unterstützungsanträge abgearbeitet. Warum man hier nicht ordentlich Personal aufgestockt, die Bürokratie minimiert und die Prozesse beschleunigt, bleibt mir ein Rätsel. Auch zur Aufstockung der Hilfsfonds in den Verwertungsgesellschaften habe ich nichts Neues vernommen. Die IG Autorinnen und Autoren hat dazu bereits vor einiger Zeit einen sinnvollen Vorschlag gemacht. Kurzum: Man darf sich keiner Illusion hingeben, die soziale Frage ist im Bereich der Kunst- und Kulturschaffenden drängender denn je.

Weiter Unsicherheit

Ja, die Zeiten sind schwierig. Die Befürchtung bleibt bestehen, dass jene, die als Erste zusperren mussten, auch diejenigen sein werden, die als Letzte wieder aufsperren dürfen. Die Pressekonferenz letzten Freitag hat zwar mit der Illusion von Neuigkeiten gespielt, aber letztlich alle Unsicherheiten fortgeschrieben. Es ist, als sprächen Vizekanzler und Staatssekretärin zu Kindern, denen sie geduldig erklärten, manche Lockerung sei "fix, manche nicht", und das "Abwägen und Abmessen" gehe weiter. Es scheint ihnen gleichgültig, als fehlte nichts, wenn Theater, Kinos, Galerien, Clubs und Museen geschlossen sind. Ich wünschte, es wäre anders, und sie brüllten: "Wir halten es ohne Kultur nicht länger aus!" Es braucht doch eine konkrete, beherzte und engagierte Kulturpolitik mit Mut zur Klarheit. Künstlerinnen und Künstler machen mit ihren Werken unsere Gesellschaft lebendig. Das können wir aktuell brauchen. (Thomas Drozda, 20.4.2020)